Antonio Cestis Oper "La Dori"befindet sich in kundigen Händen der Accademia Bizantina.

Festwochen

Ja, da muss einiges los gewesen sein in Innsbruck, zur Zeit von Erzherzog Ferdinand Karl. Mitte des 17. Jahrhunderts herrschte der Sohn von Erzherzog Leopold V. und Neffe von Kaiser Ferdinand II. in recht absoluter Weise über Tirol: absolut verschwenderisch und absolut rechthaberisch. Der Landtag hatte nichts mehr zu sagen, ein ehemaliger Kanzler wurde in einem Geheimprozess hingerichtet. Ferdinand Karl stand der Sinn nach Vergnügungen aller Art.

Durch Verkauf und Verpfändung von Herrschaftsrechten, dank Entschädigungszahlungen Frankreichs und durch die Aufnahme von Schulden finanzierte er ein luxuriöses Leben, das auch eine erstklassige musikalische Unterhaltung mit einschloss.

Italien spielte damals die erste Geige, und aus Italien engagierte der Sohn von Claudia de' Medici auch Musiker für seine Hofkapelle und sein neues Opernhaus. Zu den Premieren des ersten italienischen Opernhauses nördlich der Alpen seien tagelange Feste gefeiert worden, erzählt Rainer Lepuschitz, Dramaturg der Innsbrucker Festwochen der Alten Musik. In den Pausen zwischen den Opernakten wurden getafelt, im Hofgarten flaniert oder in der Dogana ein Pferdeballett bewundert.

Als Chef der Hofkapelle hatte der Innsbrucker Sonnenkönig einen ehemaligen Mönch aus dem Franziskanerorden quasi freigekauft: Antonio Cesti. Nach der Eröffnungspremiere, La Cleopatra, verfasste der Italiener im Jahresrhythmus neue Opern, meist turbulente Verwechslungskomödien wie etwa L'Argia oder L'Orontea. In deren handlungsprallen Libretti (von Giovanni Filippo Apolloni) fanden sich oft ironische Anspielungen auf das Hofleben. Gut möglich, dass Ferdinand Karl bei Textbüchern fallweise selbst die Feder geführt habe, meint Lepuschitz.

Damen in Männerkleidern

Als einen "Käfig voller Narren" beschreibt der Dramaturg das Treiben am Hof Ferdinand Karls – ein Treiben, in dem auch die Travestie eine Rolle spielte. In Cestis Tragikomödie La Dori sind gleich zwei Travestiepartien eingearbeitet: Zum einen gibt es da die gleichnamige Prinzessin aus Ägypten, die sich in den Sohn des persischen Königs verliebt und dem nach Babylon Zurückgerufenen in Männerkleidung nachreist. Dori wird wiederum gesucht von ihrem (vermeintlichen) Bruder Tolomeo, der sich als Frau verkleidet, um seiner Angebeteten, Prinzessin Arsinoe, nahe sein zu können. Stefano Vizioli wurde damit betraut, die Szenenwechsel und Geschehnisse in Apollonis turbulentem Libretto solcherart umzusetzen, dass die Handlungsstränge dieser Melange aus Burleske und Groteske ohne große Verwirrungen mitzuverfolgen sind: keine leichte Aufgabe. Doch Viziolis farbenfroher Einrichtung soll die Quadratur des Kreises gelingen, an das barocke Theater zu erinnern und die Geschichte in einer zeitgemäßen Optik umzusetzen, verrät Lepuschitz. Zentraler Drehpunkt sei ein Pavillon mit reichlich Wüstensand drumherum.

Der große Melodiker

Ottavio Dantone wird in dieser zweiten großen Opernproduktion im Tiroler Landestheater für die musikalische Leitung verantwortlich zeichnen. Der Spezialist für die venezianische Oper wird von der Accademia Bizantina unterstützt. Cesti beweist sich auch in La Dori als großer Melodiker, als Belcantist avant la lettre. Bemerkenswert auch, dass er die Übergänge zwischen Rezitativ, ariosen Teilen und Arien oft in geschmeidiger Weise gestaltet und die starken Trennungen der Opera seria umgeht. Nicht grundlos sind die Opern Cestis nach seinem Tode in Europa noch lange Zeit erfolgreich wiederaufgeführt worden.

2019 jährt sich nicht nur der Todestag von Cesti zum 350. Mal, auch beim Cesti-Gesangswettbewerb gibt es den 10. Geburtstag zu feiern: Deshalb wurden die Partien von La Dori fast ausschließlich mit Teilnehmern und Preisträgern des Wettbewerbs besetzt. So wird etwa Emöke Baráth, die erste Preisträgerin (2011), den Tolomeo singen. In einer Gala sind dann die ersten Preisträger der letzten drei Wettbewerbe zu erleben. Sopranistin Marie Lys, Mezzosopranistin Emily D'Angelo und Bariton Morgan Pearse werden im Spanischen Saal von Schloss Ambras mit Arien und Duetten aus dem 17. Und 18. Jahrhunderts betören, begleitet vom Innsbrucker Festwochenorchester unter der Leitung von Alessandro De Marchi. (19. 8.) (Stefan Ender, 15.6.2019)