Werner Kogler war eine klassische Notlösung. Er hat die Partei im Herbst 2017 übernommen, als sie vor dem Abgrund stand und es kein Griss um die Parteispitze gab. Die Grünen waren gerade aus dem Nationalrat geflogen; sie liefen Gefahr, endgültig von der Abspaltung der Liste Pilz verdrängt zu werden, und blickten auf ein Jahr der internen Streitereien zurück.

Jetzt, knapp zwei Jahre später, ist der gebürtige Steirer der gefeierte Held. Niemand bei den Grünen stößt sich daran, dass ein Veteran der Kategorie "alter weißer Mann" nun Spitzenkandidat für die Nationalratswahl wird. Und das ist auch gut so. Die Partei profitiert von seiner Erfahrung und seiner Authentizität – eine nicht zu unterschätzende Währung in der Politik.

Aber man muss auch ehrlich sein: Die Grünen erleben nicht nur ein Revival, weil Werner Kogler alles anders und alles besser macht als seine Vorgängerinnen. Umweltpolitik ist einfach wieder in, nicht zuletzt dank der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg.

Vorwerfen kann man Kogler natürlich, dass er noch vor wenigen Wochen versichert hat, ins EU-Parlament zu wechseln. Hat er seine Wähler nun betrogen? Nein. Bis Ibiza konnte niemand mit Neuwahlen noch im heurigen Jahr rechnen. Neue Situationen erfordern eben neue Entscheidungen. Ein Selbstläufer wird die Herbstwahl für die Grünen dennoch nicht.

Alle Parteien versuchen derzeit, mit dem Ökothema zu punkten. ÖVP-Chef Sebastian Kurz wird sich nicht mehr ausschließlich auf die Flüchtlings- und Migrationsfrage konzentrieren. Und selbst die Klimaleugnerpartei FPÖ sieht sich zu einem Kurswechsel gezwungen und räumt unter Neo-Obmann Norbert Hofer ein, dass der Klimawandel ein von Menschen verursachter ist. Immerhin. Ein bisschen grüner wird die Politik also jedenfalls. (Günther Oswald, 14.6.2019)