Wer sich an Maßstäbe der politischen Vernunft hält, wird sich einen Kriegsausbruch am Persischen Golf nur schwer vorstellen können. Es gibt keine – zumindest kurzfristig – erreichbaren Kriegsziele. Das einzige unmittelbar absehbare Resultat wären Ölpreiskapriolen und deren unangenehme Folgen für die Weltwirtschaft.

Einer der Profiteure des Konflikts in der Region wäre der in den vergangenen fünf Jahren mühsam niedergerungene "Islamische Staat", der soeben wieder bedrohliche Lebenszeichen sendet. Die Destabilisierung des Irak, wo Iran-Gegner und -Verbündete nebeneinander in Parlament und Regierung sitzen, wäre kaum zu vermeiden. Und das ist nur der Anfang einer langen Liste von Gründen dafür, warum ein neuer Golfkrieg ein Wahnsinn wäre.

Das ändert nichts daran, dass nunmehr ein Stadium erreicht ist, das von einem offenen Konflikt nicht mehr weit entfernt ist. Brennende und havarierte Tanker im Golf von Oman, der Ruf nach militärischen Eskorten für zivile Schiffe: Das hat man jahrzehntelang nicht mehr gesehen. Die Verantwortung für die Angriffe wird nicht mehr, wie Mitte Mai bei vier beschädigten Öltankern vor dem Emirat Fujairah, eher vage dem Iran zugesprochen. Diesmal beschuldigen die USA Teheran direkt der Urheberschaft und legen dafür "Beweise" vor. Die logische Frage ist die nach der Reaktion.

Glaubwürdigkeitsproblem

Die öffentliche Meinung – abzulesen etwa in sozialen Medien – bleibt dabei stark US-skeptisch bis -feindlich. Natürlich spielen in der Argumentation immer wieder die konstruierten Gründe für den Angriff auf den Irak 2003 eine Rolle. Das größte amerikanische Glaubwürdigkeitsproblem ist aber Präsident Donald Trump selbst, der selbst die Eskalation in den Beziehungen zum Iran einleitete, als er nicht nur aus dem Wiener Atomabkommen mit dem Iran ausstieg, sondern es auch anderen Staaten und Unternehmen quasi unmöglich machte, es zu erfüllen.

Dass der Iran – oder besser: Kräfte im Iran – zeigen will, dass die neue schmerzhafte Isolationspolitik gegen die Islamische Republik nicht ohne Kosten bleiben wird, ist durchaus möglich. Wahrscheinlicher, als dass radikale Kräfte – woher auch immer – wirklich einen Krieg herbeibomben wollen, ist, dass Bewegung in eine Pattsituation gebracht werden soll. Das ist ein riskantes Spiel, das leicht aus dem Ruder laufen kann.

Auch für die arabischen US-Verbündeten ist die Lage unbefriedigend: Nirgends zeichnet sich ab, dass der Iran nachgibt und seine aggressive Regionalpolitik – in Syrien, Irak, Libanon, Jemen – ändert. Stattdessen ist Teheran dabei, sein Urananreicherungsprogramm wieder hochzufahren – ohne dass es zu einer Neuverhandlung des Atomdeals, wie es die US-Regierung wollte, kommen wird. Im Moment ist zu befürchten, dass Trumps Politik des "maximalen Drucks" zu einer des "maximalen Schadens" führen könnte. Und das wird ein Hilfsausdruck sein, wenn es tatsächlich einen Krieg am Persischen Golf gibt. (Gudrun Harrer, 14.6.2019)