Der Bundespräsident wünscht dem Teamchef viel Glück.

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Werner Gregoritsch verspürt ein "Kribbeln". Mit dem Begriff "historisch" geht der 61-jährige Teamchef vorsichtig um, er spricht von einer "enormen Wertigkeit." Wird die U21-Mannschaft am Freitagvormittag kurz vor der Abreise nach Italien in der Hofburg von Bundespräsident Alexander Van der Bellen empfangen, "ist es etwas Besonderes".

Erstmals in der europäischen Fußballgeschichte hat sich eine österreichische U21 für eine EM-Endrunde qualifiziert, kickt also im illustren Kreis der besten zwölf Nationen. Mit Deutschland, Spanien, Italien, Belgien, England und so weiter. Van der Bellen sagte übrigens, man solle sich nicht stressen lassen. Für Gregoritsch, seit 2012 beim ÖFB, ist es "der Höhepunkt meiner Trainerkarriere. Das Land schaut auf uns."

Von Kakerlaken bis Cormons

1977 war er übrigens als aktiver Fußballer bei einem Finalturnier, der U20-WM in Tunesien. Österreich nahm die Rolle des Statisten ein, es hatte kuschelige 45 Grad, die Unterkunft war eine Jugendherberge der untersten Kategorie, man teilte das Bett mit Kakerlaken. Der Trainingsplatz hatte noch nie einen Grashalm gesehen, er bestand aus roter Erde.

Gregoritsch: "Die Zeiten haben sich geändert. Es ist alles professioneller geworden." Der Betreuerstab besteht nun aus zwölf Personen, den Spielern fehlte es an nichts, das Quartier in Cormons ist das Gegenteil einer Bruchbude.

Namhafter Kader

Die aktuellen Mieter sind eine Gemeinschaft aus gestandenen Kickern. Kapitän Philipp Lienhart wurde einst von Real Madrid verpflichtet, nun verteidigt er für Freiburg. LASK-Keeper Alexander Schlager hütet das Tor, Kevin Danso, Hannes Wolf und Dejan Ljubicic sind weitere Stützen.

Augsburg-Legionär Kevin Danso gilt als ÖFB-Stütze.
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Aus dem A-Team stießen neben Lienhart auch Stefan Posch und Xaver Schlager dazu. Konrad Laimer bekam von Leipzig keine Erlaubnis, bei Valentino Lazaro legte sich Hertha BSC quer. Maximilian Wöber und Sandi Lovric sind verletzt. Schlager und Laimer geigten vor ein paar Tagen gemeinsam gegen Slowenien und in Nordmazedonien für Franco Foda. Gregoritsch: "Es sind natürlich bereits erwachsene Männer. Einige verdienen schon Millionen."

Was die Mannschaft auszeichnet? "Die Mentalität, der Spirit, sie kennen einander lange, haben viel miteinander erlebt, denken ähnlich." Sie sind 1996 oder später geboren. Gregoritsch sagt: "Karrieren beginnen heutzutage früher." Es werde in der Ausbildung immer mehr Wert auf Athletik gelegt. "Und ein Junger bringt eben mehr Geschwindigkeit auf den Rasen."

Innerer Motor

Natürlich habe dieser Trend Schattenseiten. "Die Belastung wir ständig größer, irgendwann reißen die Kreuzbänder, die Karrieren werden aufgrund von Überbeanspruchung also eher kürzer." Beispiel Xaver Schlager: "Er hat einen inneren Motor, nimmt keine Pausen, für ihn ist Fußball alles."

Nichtsdestotrotz habe die EM auch einen romantischen Aspekt. "Es ist die letzte Chance, noch ein bisserl Kind zu sein. Es ist ein Abschied aus der Kindheit." Der Spaß nehme dann sukzessive ab. "Jeder kann frei von der Leber weg reden, später wird jeder Satz, jeder Schritt kontrolliert. Bei mir gibt es die lange und die kurze Leine, das hängt von der jeweiligen Situation ab."

Underdog in Gruppe B

Österreich ist in Gruppe B der Underdog. "Serbien, Deutschland und auch Dänemark gehen von drei Punkten aus. Das ist gut für uns." Im letzten Test wurde Frankreich 3:1 geschlagen. "Gut fürs Selbstvertrauen." Bei Auftaktgegner Serbien ist übrigens Luka Jovic dabei, Real Madrid hat ihn um 60 Millionen Euro der Frankfurter Eintracht abgekauft. Gregoritsch: "Ich ziehe den Hut vor ihm, weil er die EM bestreitet."

Nur die drei Gruppensieger und der beste Zweitplatzierte steigen ins Halbfinale auf. Gregoritsch hält den Modus für verbesserungswürdig. "Es sollte auch ein Viertelfinale geben. So ist jede Partie ein Endspiel, es wird eher taktiert." Man müsse in einen "Flow" kommen. Erfolg sei ein Mosaikstein, "um den Lagerkoller zu verhindern. Ein Quartier wird schnell zum Sportgefängnis."

Nach Italien wurde übrigens nicht geflogen, sondern mit dem Bus gereist. Auch das könne man, so der Teamchef, als Abschied von der Kindheit interpretieren. "Sie fliegen eh dauernd." Das Ziel bei der EM sei natürlich ein erwachsenes. "Genießen ist zu wenig, wir wollen überraschen." (Christian Hackl, 15.6.2019)

Deutschland geht als Titelverteidiger ins Turnier. 2017 besiegte man im Finale Spanien 1:0.
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Die U21-EM 2019 in Italien und San Marino

GRUPPE A: Belgien, Italien, Polen, Spanien

GRUPPE B: Österreich, Dänemark, Deutschland, Serbien

17. Juni: AUT – SRB (Triest, 18.30, ORF 1), GER – DEN (21, Udine)
20. Juni: DEN – AUT (Udine, 18.30, ORF 1), GER – SRB (Triest, 21)
23. Juni: AUT – GER (Udine, 21, ORF 1) DEN – SRB (Triest, 21)

GRUPPE C: Kroatien, England, Frankreich, Rumänien

27. Juni: Halbfinale in Bologna (18) und in Reggio Emilia (21)

30. Juni: Endspiel in Udine (20.45)

MODUS: Die Sieger der Gruppen und der beste Zweitplatzierte ziehen ins Halbfinale ein.

BISHERIGE SIEGER

Italien (1992, 1994, 1996, 2000, 2004)
Spanien (1986, 1998, 2011, 2013)
USSR (1980, 1990)
England (1982, 1984)
Niederlande (2006, 2007)
Deutschland (2009, 2017)
Jugoslawien (1978)
Frankreich (1988)
Tschechien (2002)
Schweden (2015)