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So sieht ein Champion aus.

Foto: APA/AFP/GETTY IMAGES/EZRA SHAW

Toronto – Eigentlich ist ja LeBron James schuld, dass die Toronto Raptors mit dem Finals-Sieg gegen die Golden State Warriors als erstes kanadisches Team einen NBA-Titel holten. Er war es, der den Kanadiern in den vergangenen drei Jahren gnadenlos die Grenzen aufzeigte. 2017 und 2018 kassierten die Raptors in der zweiten Playoff-Runde gar einen Sweep von James und seinen Cleveland Cavaliers.

Und obwohl sich LeBron endlich in die Western Conference und die Dysfunktionalität der einst so glorreichen Los Angeles Lakers verabschiedete, war für Raptors-GM Masai Ujiri offensichtlich: So wird das nix. Das in der Regular Season mehr als brauchbare Guard-Duo aus Kyle Lowry und DeMar DeRozan war in der Postseason zu leicht zu verteidigen, der große Wurf würde mit diesem Kern nie gelingen. So sahen es auch die Buchmacher, die den Raptors vor einem Jahr eine 40:1-Quote auf den Titelgewinn gaben.

Der Trade

Also tat Ujiri, was der Wunderwuzzi unter den GMs eben tut. Er holte einen der besten Basketballer der Welt. Die überragenden Fähigkeiten des 27-jährigen Kawhi Leonard waren offensichtlich, er hatte sich aber über die Reha einer langwierigen Verletzung mit seinen San Antonio Spurs zerstritten. Ujiri trennte sich im Tausch für Leonard und Danny Green von DeRozan, Jakob Pöltl und einem Erstrunden-Draftpick.

Party in Toronto.
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Was jetzt wie eine No-Na-Aktion scheint, war nicht unumstritten. Es galt als fix, dass Leonard nach Auslaufen seines Vertrages in diesem Sommer nach Los Angeles geht, der Tauschhandel war also eher eine riskante Einjahresmiete.

Ujiris Meisterschaft

Der Leonard-Trade – oder wie man auf österreichisch sagt: der Pöltl-Trade – war der größte und schillerndste Mosaikstein in Ujiris Kunstwerk, für sich alleine hätte er aber wenig bewirkt. Das in Nigeria geborene Basketballgenie machte auch die kleinen Dinge mit außerirdischer Konstanz richtig: Ujiri draftete Pascal Siakam an Nummer 27, in den Finals war Pöltls Buddy der zweitbeste Spieler der Raptors. Er gabelte den ungedrafteten Fred VanFleet auf, auch er spielte gegen die Warriors eine tragende Rolle. Er holte während der Saison Marc Gasol, explizit als Gegengift zu Philadelphia-Center Joel Embiid – wie der Spanier seinen Kontrahenten in dem Sieben-Spiele-Epos im Conference-Semifinale unter Kontrolle hielt, machte den Unterschied.

Was Leonard Lowry nach dem Trade schrieb.

Und Ujiri hatte Mut bei der Trainerbesetzung. Er feuerte nach dem Playoff-Scheitern 2018 Dwane Casey, der nach seiner Entlassung noch als Coach of the Year ausgezeichnet wurde, und installierte mit Nick Nurse einen Rookie-Head-Coach. Freilich gab es auch Fehlschüsse des Managers, man denke an Bruno Caboclo. Aber diese sind in Relation zu Ujiris Geniestreichen verschwindend wenige.

Der Faktor Glück

Ein guter Kader macht aber noch keinen Champion. Die Raptors hielten Leonards Belastung in der Regular Season in Grenzen, der Superstar bekam regelmäßig Pausen und blieb so topfit. Trotzdem hatte der kanadische Franchise die beste Bilanz der Liga und damit durchgehenden Playoff-Heimvorteil. Zum Start der Postseason rechneten dennoch nicht viele mit den Raptors.

The Shot, eh.
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Und dann brauchte es Glück. Leonards schon vor dem Titelgewinn legendärer Buzzer Beater in Spiel sieben gegen die 76ers sprang gefühlte 416 Mal am Ring herum, bis er in den Korb plumpste. Im Conference Final gegen die Milwaukee Bucks stand der spätere Champion beim Stand von 0:2 schon mit dem Rücken zur Wand, gewann Spiel drei aber nach zwei Overtimes. Die Warriors mussten die Finals fast komplett ohne Kevin Durant und das Finish von Spiel sechs ohne Klay Thompson bestreiten, während die Raptors von Verletzungspech verschont blieben.

Aber, bei all diesen Zufällen: Leonard hatte vor seinem Buzzer Beater einen 41-Punkte-Kraftakt geleistet, die so wichtige zweite Overtime gegen die Bucks mit acht Zählern praktisch im Alleingang entschieden, in den Finals permanent die schwierigste Defensivaufgabe übernommen. Er spielte schlicht historische Playoffs.

Die Zukunft

Mag sein, dass Leonard nun nach Los Angeles geht. Mag sein, dass Ujiri das unmoralische 60-Millionen-Dollar-Angebot der Washington Wizards annimmt, so dieses jemals Realität wird.

Es wäre egal. Der erste Titel eines kanadischen NBA-Teams bleibt für immer – insbesondere, wenn man bedenkt, wie unmöglich er noch vor einem Jahr erschien. (Martin Schauhuber, 15.6.2019)