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Liviu Dragnea – ein Bild für Spötter.

Foto: AP Photo/Vadim Ghirda

Er war einst der mächtigste Mann im Lande, schaffte es innerparteiliche Aufstände niederzuwerfen und eine populistische Anti-EU-Politik zu betreiben, die es zuvor noch nie in Rumänien gegeben hatte. Doch nun ist Liviu Dragnea, der Mann mit dem Schnauzbart und bisherige Chef der rumänischen Sozialdemokraten (PSD), Geschichte. Er sitzt seit drei Wochen im Gefängnis und wird dort für die nächsten drei Jahre bleiben. In der Partei selbst ist er mittlerweile isoliert.

Dragnea wurde kürzlich in zweiter Instanz verurteilt, weil er als sein Amt missbraucht hatte, um zwei Jobs in der Verwaltung für Parteigünstlinge zu schaffen. Die zwei "Beamten" wurden mehr als acht Jahre aus öffentlichen Mitteln bezahlt, obwohl sie niemals ihrer Arbeit als Kinderschutzvertreter nachgingen.

Dynamik unter den Sozialdemokraten

Der Weggang von Dragnea hat in der Regierungspartei eine starke Dynamik ausgelöst. Mittlerweile ist auch sein Berater Darius Vâlcov zurückgetreten. Aber auch den Nachfolger von Vâlcov, Remus Bozra hat Premierministerin Viorica Dăncilă bereits wieder nach einigen Tagen entlassen. Weitere Dragnea-Vertraute, etwa im Sozialversicherungsbereich mussten ihre Ämter aufgeben. Auch innerhalb der Partei mussten einige ihren Platz räumen – etwa der bisherige Verantwortliche für die Parteifinanzen Mircea Drăghici. Neue Justizministerin wurde nun Ana Birchall, nachdem ihr Vorgänger Tudor Tudorel wegen der Debatte um den Umbau der Justiz bereits seit langem in Misskredit geraten war. Machtkämpfe und Unsicherheiten dominieren die Partei.

Der Wechsel an der Parteispitze – der bei einem Kongress am 29. Juni geklärt werden soll – hat auch inhaltliche Veränderungen bei den mittlerweile extrem unbeliebten Sozialdemokraten ermöglicht. Möglich ist sogar, dass es zu einer Spaltung innerhalb der Partei kommt und damit auch zu einem Sturz der Regierung. Entscheidend für die Wende war vor allem das schlechte Abschneiden bei der EU-Wahl. Denn die PSD kam nur mehr auf 22,5 Prozent – ein regelrechter Absturz seit den letzten Wahlen, wo sie noch bei 37,6 Prozent lag.

Referendum für unabhängige Justiz

Zentral für den sich abzeichnenden Kurswechsel war auch das Referendum, das ebenfalls am 26. Mai stattfand. Fast 90 Prozent jener Rumänen, die zur Wahl gingen, sprachen sich dabei gegen Justizgesetze zugunsten von Korruptionsverdächtigen aus. Bei dem Volksentscheid wurden sie befragt, ob sie für Verbot der Begnadigung und Amnestie bei Korruptionsdelikten sind und für ein Verbot von Änderungen der Justizgesetze per Eilverordnung. Diese von den Sozialdemokraten durchgeführten Eilverordnungen, am Parlament vorbei, und die Verwässerung der Anti-Korruptionsgesetze wurden also vom Wähler abgestraft.

Die Premierministerin und neue Parteivorsitzende Dăncilă scheint die Botschaft verstanden zu haben. Vergangene Woche kündigte sie bei einem Besuch bei EU-Kommissionspräsident Jean Claude Juncker an, die umstrittenen Notverordnungen zurückzunehmen. Juncker und Vize-Präsident Frans Timmermans begrüßten diesen Schritt ausdrücklich und lobten die "exzellente Arbeit" der rumänischen Ratspräsidentschaft.

Politischer Pakt von Iohannis

Es sieht also danach aus, als würde die rumänische Regierung wieder mehr Rechtsstaatlichkeit und einen ernsthaften Kampf gegen die Korruption unterstützen. Verantwortlich für diese Wende ist auch Präsident Klaus Iohannis, der das Referendum initiiert hat. Iohannis, der im Herbst zur Wiederwahl antritt, hat nun einen "politischen Pakt für das europäische Rumänien" verfasst. Gesetze im Justizbereich sollen mit den Empfehlungen der Venedig-Kommission, der EU-Kommission und der Staatengruppe gegen Korruption (Greco) in Einklang gebracht werden. Am 13. Juni haben vier Oppositionsparteien den Pakt unterschrieben, darunter die konservative PNL unter Ludovic Orban, die Partei "Rettet Rumänien", die PMP und die Partei des ehemaligen Premiers Victor Ponta "Für Rumänien".

Iohannis brachte sich damit einmal mehr als eine Art Oppositionsführer ein. In Rumänien haben Auseinandersetzungen zwischen dem Präsidenten und der Regierung Tradition. Iohannis ist nicht der erste Staatschef, der auf diese Art und Weise Politik macht. Er sprach sich nun auch für ein Misstrauensvotum gegen die Regierung aus. Dieses soll kommenden Dienstag stattfinden. Allerdings haben die Regierungsparteien die Mehrheit im Parlament. Es bräuchte mindestens 233 Stimmen, um die Regierung zu Fall zu bringen, wahrscheinlich ist, dass 214 Abgeordnete gegen das sozialdemokratisch geführte Kabinett stimmen.

Probleme bei EU-Wahlen im EU-Ausland

Eine der Begründungen für das Misstrauensvotum ist übrigens, dass die Auslandsrumänen bei den EU-Wahlen in den Botschaften im EU-Ausland an der Wahl behindert wurden. Der Chef der größten Oppositionspartei, der PNL, Orban kündigte an, dass er im Falle des Erfolgs eines solchen Misstrauensvotums, Regierungsverantwortung übernehmen werde. (Adelheid Wölfl, 17.6.2019)