Dankesworte blieben aus. Dafür verlas der deutsche Schauspieler Jens Harzer bei der Verleihung des Iffland-Rings eine Erzählung von Johan Peter Hebel.

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Statt Dankesworten las Jens Harzer eine Erzählung von Johann Peter Hebel vor. Um einen schwedischen Bergmann ging es darin, der kurz vor seiner Hochzeit ums Leben kommt, um seine Braut, die 50 Jahre auf ihn warten muss, bis sie ihn endlich wiedersieht: unter Tage konserviert, in jugendlicher Schönheit. Sie aber ist inzwischen alt und gebückt und nur mehr ein Schatten ihrer selbst.

"Unverhofftes Wiedersehen" heißt Hebels berühmte Kalendergeschichte, und sie war gut gewählt. Geht es in ihr doch um nichts weniger um das Paradox der Liebe. So wie diese unerfüllt ein Menschenleben überdauert, so ist es ein bisschen auch mit der Schauspielerei. Selten tritt wahre Erfüllung ein, die Liebe zur Bühnenkunst erlischt aber trotzdem nicht. Wahrscheinlich weil es Schauspieler wie Jens Harzer gibt.

Zur sonntäglichen Überreichung des Iffland-Rings an den deutschen Schauspieler, der sich ab sofort als der "bedeutendste und würdigste Bühnenkünstler" bezeichnen darf, rückte das halbe Kultur-Wien im Burgtheater an. Der Schriftsteller Peter Handke flog aus Paris ein, der Regisseur Johan Simons aus Bochum. Sie beide haben keinen kleinen Anteil daran, dass Harzer auf der Bühne immer wieder glänzen konnte.

Erst im vergangenen Jahr inszenierte Simons bei den Salzburger Festspielen eine famose "Penthesilea" mit einem zwischen den Geschlechterrollen changierenden Harzer und einer ihm ebenbürtigen Sandra Hüller. Verwandlung, sagte der holländische Regisseur, "ist die Chance, sich selbst zu entkommen. Ein exzellenter Schauspieler wie du kann sich nicht entkommen", richtete er Harzer aus.

Fragend-weiche Stimme

So unterschiedlich die Rollen auch sind, die der 47-Jährige im Verlauf seines Berufslebens spielte, Harzer ist in seinen Theater- und Filmpartien sofort wiedererkennbar. Dafür ist seine charakteristisch fragend-weiche Stimme verantwortlich. "Als wahrhafter Schöpfer von Wortmusik" hat man Harzer bezeichnet, und das teilt er natürlich mit dem letzten Träger des Iffland-Rings, des im März verstorbenen Schweizer Schauspielers Bruno Ganz. Nach dem Tod von Gert Voss, dem Ganz den Ring ursprünglich zugedacht hatte, entschied dieser sich für Harzer als seinen Nachfolger.

Auf der Suche nach dem "Geheimnis des Spiels". Autor Peter Handke (rechts) in seiner Laudatio auf Jens Harzer.
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Es sei erstaunlich, wie ähnlich Ganz und Harzer seien, eröffnete denn auch Peter Handke seine Laudatio, um dann allerdings eine Liebeserklärung an die Zunft der Schauspieler im Allgemeinen und nicht an einen Vertreter der Verwandlungskunst im Besonderen zu formulieren. Das Bestimmende eines Schauspielers, so Handke, sei das Zusammentreffen von Gefühl und Vernunft. Gewürzt würde das Ganze mit etwas, das der Autor als das "Geheimnis des Spiels" bezeichnete.

Aus der Tiefe des Raums

In Handkes poetischer Familiensaga Immer noch Sturm, die 2011 bei den Salzburger Festspielen uraufgeführt wurde und mit einer wütenden Klage Harzers endete, konnte man den Schauspieler in einem solchen "begnadeten" Moment erleben. "Er kommt aus der Tiefe des Raums" würdigte Handke den Schauspieler mit einem Zitat, das ursprünglich auf den Fußballer Günter Netzer gemünzt war.

Minister Alexander Schallenberg gratuliert Jens Harzer.
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Aus den (Un)-Tiefen der jüngsten politischen Ereignisse kam dagegen Alexander Schallenberg auf die Bühne des Burgtheaters. Es war der erste öffentliche Kultur-Auftritt des neuen Ministers für EU, Kunst, Kultur und Medien, und beinahe schien er sich für seine neue Funktion entschuldigen zu wollen. Er und Harzer hätten eines gemeinsam, scherzte er, sie seien beide wohl ähnlich überrascht, hier auf der Bühne des Burgtheaters stehen zu dürfen. Symbolisch streckte er seine Hände zu den Kulturschaffenden aus, bevor er Harzer den Ring mit den 28 Diamantsplittern überreichte.

Dieser ist nach Albert Bassermann, Werner Krauss, Josef Meinrad und eben Bruno Ganz (um die bekanntesten zu nennen) erst der achte Träger des auf Lebenszeiten vermachten Ringes. Innerhalb von drei Monaten muss Harzer jetzt bestimmen, welcher Schauspieler oder welche Schauspielerin das Kleinod als Nächstes bekommen soll. "Außerhalb von Wien interessiert diese Auszeichnung nicht so viele", gab Harzer unterdessen im neuen "Profil" zu Protokoll. Wie sehr sich Wien dafür interessiert, das war im Burgtheater dagegen offensichtlich. (Stephan Hilpold, 16.6.2019)