Das Kaiciid an der Wiener Ringstraße stand von jeher unter verschärfter Beobachtung.

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Es war reiner politischer Aktionismus, im Nationalrat die sofortige Schließung des Abdullah-Zentrums zu beschließen, meint Tarafa Baghajati in seinem Gastkommentar.


Im Hauruck-Verfahren hat der Nationalrat die Schließung des König-Abdullah-Zentrums für Interreligiösen und Interkulturellen Dialog (Kaiciid) verlangt. Auslöser dafür war die Meldung, Murtaja Qureiris, einem heute 18-jährigen saudischen Staatsbürger, drohe die Hinrichtung. Dieser hatte als Zehnjähriger an einer Demonstration in Saudi-Arabien teilgenommen und war anschließend verhaftet worden.

Die Empörung über diesen Fall ist absolut berechtigt. Hier kommen gleich mehrere menschenrechtlich schwerwiegende Dinge zusammen, die nicht einfach hingenommen werden können. Daher sollten schleunigst alle diplomatischen und sonstigen Hebel in Bewegung gesetzt werden, um Murtaja und den anderen Gefangenen in Saudi-Arabien zu helfen.

Möglichkeiten dazu gäbe es: Zahlreiche österreichische Abkommen und Geschäftsbeziehungen mit Riad könnten überprüft werden, bei den Vereinten Nationen könnte Druck gemacht werden. Was aber macht die hiesige Politik? Sie will das Dialogzentrum Kaiciid zusperren, weil Saudi-Arabien dort mit von der Partie ist. Denn Saudi-Arabien hat in der allgemeinen Wahrnehmung längst nicht nur durch den aktuellen Fall ein Negativimage. Wer dagegen kräftig auftritt, verspricht sich Sympathien. Es geht also vor allem um einen Profilierungsversuch für die Wahlkämpfer. Und es bleibt ein fader Beigeschmack, weil da eher Symbolpolitik betrieben wird, die just jene trifft, die für ein positiv anderes Menschenrechtsverständnis stehen.

An die Botschaft wenden

Anstatt Saudi-Arabien direkt die Meinung zu sagen (zum Beispiel über die saudische Botschaft in Wien), hat sich die Politik das Kaiciid als Sündenbock gegriffen und ihm kurzerhand den Garaus gemacht. Seit Jahren fokussieren sich weite Teile der österreichischen Politik auf die Institution, die ständig als "saudisches Zentrum" bezeichnet wird. Dabei handelt es sich dabei eben nicht um eine NGO mit einschlägigem Namen, sondern um eine zwischenstaatliche Organisation. Davon gibt es bekanntlich viele in der Uno-Stadt Wien.

Im Kaiciid-Direktorium sitzen auch keine Ölscheichs, sondern hohe Vertreter der verschiedenen Religionsgemeinschaften (Buddhisten, Christen, Hindus, Juden und Muslime). Im Rat der Signatarstaaten bestimmen Österreich, Saudi-Arabien und Spanien gemeinsam die Richtung, mit dem Heiligen Stuhl als ständigem Beobachter. Und: Im Kaiciid-Sekretariat an der Ringstraße arbeiten rund 60 Menschen aus 30 verschiedenen Ländern – die Hälfte davon sind Frauen. Das ist das Konstrukt, über das sich alle echauffieren. Sieht so ein saudisches Propagandavehikel aus?

Ja, das Kaiciid-Budget kommt größtenteils aus Saudi-Arabien. Aber das liegt auch daran, dass Österreich und Spanien sich stets geweigert haben, etwas beizusteuern. Das Zentrum hat in den letzten sieben Jahren nicht nur große Konferenzen abgehalten, es hat auch praxisnahe und nachhaltige Projekte ins Leben gerufen. Mit dem Muslim-Jewish Leadership Council unterstützt es den jüdisch-muslimischen Dialog, initiiert Programme zur Integration von Flüchtlingen, hat Friedensinitiativen in Krisenherden dieser Welt angestoßen und bemüht sich ernsthaft um Annäherung zwischen den Religionen.

Man kann die Ergebnisse natürlich kritisieren, und es ist nicht alles Gold, was glänzt. Aber was ist denn die Alternative der Kritiker? Wer soll diese Arbeit nun weiterführen? Wird die Republik Österreich einspringen?

Das Votum des Nationalrats war ein Schnellschuss rein destruktiver Natur. Sein scheinbarer Nutzen ist nur im engen innenpolitischen Interesse angesiedelt: Man wischt einem allseits unbeliebten Land etwas aus und möchte so bei der eigenen Anhängerschaft punkten. Der Beschluss ist eine Ersatzhandlung, die in erster Linie dazu dient, das eigene schlechte Gewissen zu beruhigen. Schaut her, wir haben gehandelt, können die Parteichefs jetzt ihren Wählern zurufen.

Das wird Murtaja Qureiris und anderen Verfolgten in Saudi-Arabien wenig helfen. Es wird nicht dazu beitragen, dass sich die Menschenrechtslage dort verbessert. Es wird nicht die reformorientierten Kräfte in Riad stärken, die eine Öffnung des Landes wollen, die ernsthaft den Dialog suchen.

Gegen Spanien und Vatikan

Die Schließung des Zentrums ist auch ein Affront gegenüber Spanien und dem Heiligen Stuhl. Natürlich steht es Österreich frei zu entscheiden, aus dem Projekt auszusteigen, dem Zentrum seine Akkreditierung in Wien zu entziehen. Nur: Cui bono, wem nützt das? Es wäre schön gewesen, hätten die Politiker vorab mit den Betroffenen geredet, sich mit ihnen an einen Tisch gesetzt, um zu besprechen, wie man das Kaiciid reformieren könnte. Den Namen des Zentrums hätte man diskutieren können, seine Finanzierung auch.

Nur war der Wille dafür in der aufgeheizten Stimmung in Österreich schlicht nicht da. Man hat sich schon zuvor gerne zurückgehalten und zugelassen, dass das Kaiciid als Projektionsfläche benutzt wurde, um Saudi-Arabien zu kritisieren, ohne es direkt anzusprechen. Das ist keine ehrliche Politik. Die populistische Form der Diplomatie, wie sie im Beschluss des Nationalrats deutlich zum Ausdruck kommt, ist nicht zielführend, und sie schadet dem internationalen Ruf Österreichs.

Man muss es deutlich sagen: Österreich war dem Kaiciid kein wirklich guter Gastgeber. Es wäre daher gut, wenn man das Zentrum jetzt nicht einfach zusperrt, sondern das Gespräch sucht und als ein echtes Gründungsmitglied agiert. Denn interreligiöser Dialog ist nicht nur von zentraler Bedeutung für den Frieden in der Welt, er sollte auch ein Aushängeschild Österreichs sein. (Tarafa Baghajati, 17.6.2019)