Die Staatsanwaltschaft Graz ermittelt gegen Andrei K. und wirft ihm auch Teilnahme an einer kriminellen Vereinigung vor.

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Wien – Eine Glückssträhne sieht anders aus. Seit rund zehn Tagen sitzt der russisch-österreichische Unternehmer Andrei K. in Graz in Untersuchungshaft. Der Verdacht, den die Staatsanwaltschaft (StA) Graz gegen den 61-Jährigen, dem indirekt der burgenländische Mineralwasser-Erzeuger Güssinger gehört, hegt: versuchte Anstiftung zum Mord.

Konkret soll der nicht immer erfolgreiche Geschäftsmann – die Spedition Etransa ging pleite, seinen Kampf um eine Lizenz für die Alizeebank hat er verloren – im Juli 2017 einen der Ostmafia zugerechneten Mann zum Mord an seinem bulgarischen Geschäftspartner S. bestimmt haben. Er habe ihm "aufgetragen, S. während eines Bulgarienaufenthalts zu beseitigen"; der Mord sei aber nicht ausgeführt worden, so die StA in einem Schriftsatz.

"Diebe im Gesetz"

Zudem soll K. Mitglied einer kriminellen Vereinigung sein, deren Mitgliedern u. a. Mord, Erpressung, schwere Nötigungen, Geldwäscherei und Betrügereien vorgeworfen werden. Die Ermittler zählen K. zum Umfeld der "Diebe im Gesetz", wie man die Paten der russischen Mafia nenne. "Die Machenschaften der Diebe im Gesetz erstrecken sich von Eigentumsdelikten, Drogenhandel, Cybercrime und Wirtschaftskriminalität bis hin zu erpresserischen Entführungen, die ihre Einnahmequellen darstellen", schildert die StA im Schriftsatz.

Grazer Staatsanwälte und Bundeskrimimalamt ermitteln schon länger gegen die Gruppe von elf Personen aus Osteuropa, seit März arbeiten sie mit ihren Kollegen aus Nürnberg an dem Fall. Zuletzt haben sie mehrere Männer in U-Haft genommen; der in Wien lebende K. ist nur einer von ihnen. Es gilt die Unschuldsvermutung.

11,4 Millionen Euro

Hintergrund der Verwicklung von K. soll ein Streit zwischen ihm und S. um Geld und Firmen sein. Laut StA gibt es seit längerem "wechselseitige Beschuldigungen" rund um die Wiener E & A GmbH (gehört K.), den Verkauf von Beteiligungen dieser Firma, darunter der Güssinger Beverages & Mineralwater GmbH und ein Hotel in Bulgarien. Streitwert: 11,4 Millionen Euro.

Kurz nacherzählt soll S. seinem Geschäftspartner K. Schulden abgenommen und im Gegenzug Sicherheiten bekommen haben. Daran dürfte sich ein Streit entzündet haben. S. hat jedenfalls in diesem Zusammenhang im Juni 2018 Strafanzeige gegen K. erstattet.

Die Ermittler, die die mutmaßlichen Mafiosen längst observierten, erfuhren von Treffen in Wiener Hotels, bei denen davon die Rede war, dass eine anwaltliche Lösung des Streits nicht möglich gewesen sei. Bei einer dieser Besprechungen soll dann ein Verdächtiger seinen Kollegen mitgeteilt haben, K. habe ihn angeheuert, S. zu beseitigen.

Drohung per SMS

Der wendete sich im Juli 2018 erneut an die Kriminalisten. Er habe eine SMS bekommen, in der es u. a. hieß: " Du kannst dich vor mir nicht verstecken. Wenn du willst, dass du und die Familie in Sicherheit bleiben, vergiss das Geld. Nimmst du die Anzeige von der Polizei gegen Andrei K. weg. Sonst werden deine Kinder ohne Vater leben." Was die Ermittler "bei einem in diesem Milieu agierenden Täter selbstredend" als ernsthafte Todesdrohung sehen.

Angeblich hat S. Schulden der E & A GmbH bei der Sberbank bezahlt und dafür u. a. Rechte an einem Bürogebäude K.s in Moskau, an Dividenden aus seiner Beteiligung an einer Wiener Bedarfsfluggesellschaft und die Markenrechte von Güssinger übertragen bekommen. Als S. dann versucht habe, die Sicherheiten zu verwerten, habe das nicht geklappt – der Streit nahm seinen Anfang. Das Ende sei dann eben die Mordanstiftungsgeschichte gewesen, sagen Vertraute des Bulgaren.

Anwältin erschüttert

Das ist die eine Seite der Erzählung. Eine völlig andere Darstellung kommt von K.s Rechtsanwältin Elisabeth Rech. Sie sagt, der Vorwurf der versuchten Anstiftung zum Mord werde ohne jeglichen objektiven Beweis erhoben, es gebe nur Mutmaßungen.

Gegen den angeblich von K. zum Mord Angestifteten ermittle die Justiz schon seit 2017 wegen Verdachts auf Teilnahme an einer kriminellen Organisation. Rech: "Plötzlich ging er zur Polizei und erzählte, er sei von K. zum Mord angestiftet worden. Bei seiner nächsten Beschuldigtenvernehmung hatte er das wieder vergessen." Ihr Mandant sei unschuldig, sie "erschüttert, dass man jemanden aus reiner Mutmaßung heraus für so einen schwerwiegenden Vorwurf in U-Haft nimmt".

Streit um Geld

Den Streit zwischen K. und S. bestätigt Rech. S. habe ihrem Mandanten bei Umschuldungen von der Sberbank geholfen und sich dafür Vermögen überschreiben bzw. verpfänden lassen. Dann habe S. ihren Mandanten aber übervorteilt, und der habe daher "in vielen Ländern Strafanzeigen gegen S. eingebracht". Sein Mordanstiftungsvorwurf sei "Rache dafür, dass K. nicht auf seine Millionen verzichtet".

Vernetzt mit der Politik

Beide Geschäftsmänner haben auch Fäden in die Politik gesponnen. Bei S. laufen diese in die FPÖ. Und K. hatte, als er sich um die Mehrheit an der Alizeebank bemühte, bunte Mitstreiter, die auch Beteiligungen hielten. Den früheren OMV-Chef und späteren Kapitalmarktbeauftragten Richard Schenz etwa oder Ex-Finanzstaatssekretär Alfred Finz (ÖVP), den heutigen niederösterreichischen SPÖ-Vorsitzenden Franz Schnabl, Ex-Innenminister Franz Löschnak (SPÖ) oder SPÖ-Justizsprecher Johannes Jarolim. Die FMA hielt K. für keinen geeigneten Bankeigner und entzog der Alizee de facto die Lizenz.

Etlichen seiner damaligen Unterstützer soll K. ihr Geld nur widerstrebend zurückerstattet haben – oder gar nicht. (Renate Graber, 17.6.2019)