Puccinis Tosca bereitet als zornige Dame (Nina Stemme) dem Scarpia (Carlos Álvarez) per Messerstich ein vorzeitiges Ende.

Pöhn

Wien – Es dauert an diesem interessanten Abend doch etwas länger, bis der Tenor erschossen wird. Schließlich hat Piotr Beczala die finale Arie der Puccini-Oper mit jenem Glanz ausgestattet, der ihn als einen der besonderen Sänger der Gegenwart ausweist. Das will gefeiert werden. Nach minutenlangen Ovationen, die teils stehend verschenkt wurden, wiederholt Beczala die Hitarie also auch noch. Und abermals rundet sich alles zu einem sorgsam aufgebauten Porträt emotionalen Aufbegehrens.

Große Leichtigkeit

Bevor ihn die Schüsse also verspätet treffen: Von den legatomäßig aufsteigenden Linien bis zu jenen hohen Regionen, in denen manch Kollege schon ums tenorale Überleben kämpft, präsentiert Beczala eine Verschmelzung von Leichtigkeit und Dringlichkeit. Sein Timbre kommt besonders in den Höhen zu sich. Was ihn als Cavaradossi auszeichnet, ist auch die Konstanz seiner Leistung über die gesamte Werkstrecke hinweg. Er verlässt sich nicht auf die vokale Pracht markanter Stellen. Soweit es bei einer Repertoirevorstellung eben möglich ist, zeigt er die Tragik eines verliebten Malers schablonenfrei, den politisches Engagement in den Fängen gnadenloser Macht landen lässt.

Samtig und ausgewogen

Ihr oberster Vertreter, Scarpia, den Toscas Wut und Hass nur noch mehr anturnen, ist bei Carlos Álvarez in energischen Händen: Er zeigt den Düsterling als autoritären Grobian, der keine Wiederede duldet und sich nicht einmal bemüht, gegenüber Tosca Charme zu simulieren. Wobei Álvarez‘ Stimme von samtenen Tönung und Ausgewogenheit ist. Von vokaler Seite her erlangt der Sadist Scarpia dann doch so etwas wie Noblesse.

Es ist zu betonen: Vieles davon war auch zu hören. Das Staatsopernorchester wurde vom sympathischen, aber zum Überengagement tendierenden Dirigenten Marco Armiliato nämlich reichlich angepeitscht. Der orchestrale Glanz wurde denn auch zu einer Mauer, über die nicht jede vokale Passage den Sprung schaffte.

Etwas herb

Nur für Nina Stemme kein Problem. Die gefeierte Wagner- und Strauss-Sopranistin erkaufte sich ihre durchdringende Art allerdings mit einem eher herben Sound. Während manch Pianodetail sehr wohl ihren Willen zur Nuance offenbarte, waren die expressiven Stellen mehr Kraftdemonstration als edle Gestaltungskunst. Impulsiv, aber etwas unausgewogen die Performance.

Der verspätet erschossene Tenor wird übrigens von der Wiener Staatsoper geehrt: Piotr Beszala erhält den Berufstitel Kammersänger._Die Verleihung findet am 23. Juni im Anschluss an die letzte Tosca-Vorstellung der aktuellen Aufführungsserie statt, der am 18.6. noch eine vorausgeht. (Ljubiša Tošic, 17.6.)