Wittert Neid, Verschwörung und Intrige: Katarina Frostenson

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Noch nie hat die schwedische Lyrikerin Katarina Frostenson in der ausländischen Presse so viel Aufmerksamkeit für eines ihrer Bücher erhalten. Zumal für eines, das bislang nur auf Schwedisch vorliegt.

Das liegt leider nicht an der Qualität des Werkes (die durchaus vorhanden ist, dazu später mehr). Es liegt daran, dass Frostenson gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem französischen Fotografen und Regisseur Jean-Claude Arnault, zu weiten Teilen verantwortlich ist für den zerrütteten Zustand, in dem sich die einst so ehrwürdige Schwedische Akademie befindet. Und daran, dass sie in dem tagebuchartigen, 300-seitigen Buch K die Krisenbewältigung der Akademie weiterführt: Indiskretion, öffentliche Anschuldigung, kindische Egozentrik.

K erzählt von den sechs Monaten, die Frostenson und ihr Mann im Pariser "Exil" verbringen. Dorthin sind sie geflüchtet vor den "blutdürstigen" Schweden, dem "Lachen der Hyänen", die Hass und Lüge über sie kippen. Feige seien die Schweden, würden sich wegducken und dann grausam dreinschlagen. Auf die Andersartigen, die Sündenböcke, die man sich gewählt hat, zum Zwecke der Läuterung.

Leicht amoralisch

Ihre Analysen menschlichen Verhaltens sind so treffend wie altbekannt. Atemberaubend und schrecklich wird all das erst vor seinem Hintergrund: den Missbrauchsvorwürfen, die 18 Frauen 2017 in der Zeitung Dagens Nyheter gegen Arnault erhoben. (Der mittlerweile rechtskräftig wegen Vergewaltigung verurteilt ist.) Dem Geheimnisverrat, den das Ehepaar begangen haben soll, indem es Namen von Preisträgern ausplauderte. Der Tatsache, dass Frostenson Teilhaberin des Kulturforums ihres Mannes war, welches wiederum finanzielle Zuwendungen von der Akademie erhielt, deren Mitglied sie bis vor kurzem war.

Das ist das Einzige, das Frostenson irgendwie zugibt. Ein Versäumnis sei das gewesen, ohne böse Absicht. Aber bitte: Jeder wisse doch, dass sich im Kulturbereich ohnehin kein Geld verdienen ließe. Alle anderen Vorwürfe sind für sie eine Hexenjagd, eine neidbefeuerte Intrige, gesponnen von den Hyänen, den "verbitterten", "jaulenden" 18 Frauen und einer missgünstigen Presse, die allesamt nur ein Ziel haben: die Schwedische Akademie destabilisieren. Gut, vielleicht habe ihr Mann sich manchmal "leicht amoralisch" verhalten. Alles andere sei Verleumdung. Er habe eben "zu hübsche Schuhe" getragen, das reiche schon in Schweden.

Degoutant

Degoutant wird es, wenn sie eine Verbindung zwischen den Angriffen auf sich und ihren Mann (der jüdischer Abstammung ist), latenter Ausländerfeindlichkeit und der Judenverfolgung zieht. "Sechs Millionen sind bisher im Feuer der Vertreibung aufgegangen." Die Akademie bekommt das Kürzel SA, die ständige Sekretärin wird zu SS. Sie ruft die Vertriebenen, Verfolgten, Verleumdeten der Literaturgeschichte auf, Zweig und Celan, Dreyfus, Strindberg, Achmatowa und Mandelstam, stilisiert sich als eine von ihnen – und erzählt, ohne Gespür für den Hohn, der darin steckt, von Hotelzimmern, bourgeoisen Abendessen mit Freunden in Paris, Ente mit Pflaumensoße, edlen Weinen.

Es sei ein dummes Buch, hieß es in der Presse. Aber das ist nicht richtig. Es ist ein zutiefst tragisches. Er zeigt eine Frau, die sich vor der Einsicht, dass ihr engster Vertrauter ("mein Geliebter" heißt es immer wieder) nicht der ist, für den sie ihn hält, in Verdrängung, Furor, Wahn flüchtet. Könnte man seinen Hintergrund ausblenden, es wäre ein etwas zu schnell geschriebenes, bisweilen redundantes, aber auch schönes Buch: in seinem Umgang mit der Sprache nämlich, in seiner intimen Vertrautheit mit den Figuren und Worten der Literaturgeschichte. Ein Buch, das in seinen besten Passagen zeigt, wo das Schöne, Hoffnungsvolle im Leben zu finden ist.

Auf Deutsch zitiert sie einmal Paul Celan: "Siehst du, blühend – blühen, das Schöne, das Leben trotz alledem -". (Andrea Heinz, 18.6.2019)