Der aussichtsreichste Kandidat für die Scala: Dominique Meyer.

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Abschied von Mailand: Alexander Pereira.

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Es ist bei weitem nicht die erste Verschiebung der Entscheidung, wer ab 2020 die Mailänder Scala leiten wird. Es ist jedoch ein Aufschub des Aufsichtsrates, der gewichtige Vorentscheidungen brachte: Der bisherige Weg wird nicht weiter beschritten, Alexander Pereiras Vertrag wird nicht über Februar 2020 verlängert. Bemerkenswert skurril: Das weise Kollegium weiß bereits, wer Pereiras Nachfolge wird. Die neue Intendanz soll jedoch erst Ende kommender Woche (am 28. 6.) bekanntgegeben werden. Ob dieser Zeitplan durchzuhalten sein wird, ist allerdings mehr als fraglich.

Es verdichten sich nämlich die Hinweise, dass der gegenwärtige Direktor der Wiener Staatsoper, Dominique Meyer, zum neuen Intendanten gekürt wird. Dies meldet die Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf gut informierte Quellen. Meyer selbst verweist gegenüber der APA lediglich auf die vom Mailänder Bürgermeister Giuseppe Sala angekündigte Bekanntgabe am kommenden Freitag.

Ein Dementi klingt anders, und es gibt auch weitere Indizien: So hat sich Meyers größter Rivale Carlo Fuortes, der Intendant der römischen Oper, vor kurzem selbst aus dem Nachfolgerennen genommen. Er war bei der mächtigen Scala-Gewerkschaft auf wenig Gegenliebe gestoßen. Und kaum Chancen wurden schon vorab dem Intendanten des Fenice-Theaters in Venedig, Fortunato Ortombina, eingeräumt.

Wenig Konkurrenz

Sollte Meyer, für den die kommende Saison auch eine des Abschieds von der Wiener Staatsoper sein wird, zum neuen Scala-Intendanten aufrücken, wäre er nicht der erste Franzose in dieser Position. Die Scala war bereits 2005 bis 2015 unter der Obhut seines Landsmannes Stephane Lissner, der seinerzeit parallel zu Mailand auch Musikchef der Wiener Festwochen war. Auch wenn im Scala-Aufsichtsrat unter anderem der Präsident der Region Lombardei, Attilio Fontana, ein Spitzenpolitiker der rechten Regierungspartei Lega (Slogan: "Italiener zuerst") sitzt, scheint auch der Vorsatz, unbedingt wieder einen Italiener das Haus übernehmen zu lassen, nicht gewichtig genug gewesen zu sein.

Es ist verständlich. Wie alle arrivierten Opernhäuser, hat auch die Mailänder Scala ganz andere Sorgen, als patriotische Sehnsüchte zu bedienen. Im Gegenteil. Als eines der traditionsreichen Häuser der Welt muss die Scala danach trachten, kosmopolitisch auf höchstem Niveau zu wirken, um die internationalen Stars an sich binden zu können. Diese Kontakte hat Dominique Meyer. Außerdem beweist er an der Wiener Staatsoper, dass er, was Auslastung anbelangt, für höchstes Quotenglück zu sorgen versteht. Seine Übervorsicht im Regiebereich wird sich in Mailand vielleicht sogar als Stärke erwiesen. Tendiert er eher zu einer konservativen Ästhetik, was in Wien nicht unwesentlich Meyers Verlängerung verhinderte, träfe er in Mailand damit wohl eher den Nerv der Szene. (Ljubisa Tosic, 19.6.2019)