Man muss sich das Treffen im Pariser Élysée-Palast plastisch vorstellen: Der Staatspräsident eines größeren EU-Landes empfängt einen Fußballfunktionär und einen arabischen Emir. Vereinbart wird, vielleicht zwischen Käse und Nachspeise, nichts weniger als der Austragungsort der WM 2022. Stoff für einen Politthriller? Nein, das Mittagessen mit Nicolas Sarkozy, Michel Platini und Scheich al-Thani hat am 23. November 2010 wirklich stattgefunden. Zehn Tage später vergab die Fifa die WM tatsächlich an Katar.

Triste Bestätigung: Im modernen Fußball wäscht die eine Hand die andere. Gewiss, noch gilt in dem Fall die Unschuldsvermutung. Doch die Abscheu über die Praktiken hinter dem Fußballfeld haben sich längst festgesetzt. Die Einvernahme des Sarkozy-Sekretärs Claude Guéant und des Ex-Uefa-Bosses Michel Platini ist nicht einmal eine Überraschung: Das Katar-Treffen im Élysée-Palast ist seit langem aktenkundig. Wie schon in der Ära Blatter wissen alle, was abgeht, aber durchgreifen mag niemand. So machen die Funktionäre und Politiker das Spiel weiter kaputt.

Die WM in Katar ist schon jetzt ein Desaster. Selbst die eingefleischtesten Fans sind froh, dass derzeit die Frauenfußball-WM läuft. Sie ist technisch vielleicht zweitklassig, aber geradezu ein Jungbrunnen verglichen mit den geldverseuchten, ja dekadenten Profi(t)ligen der Männer. (Stefan Brändle, 18.6.2019)