Ob in Lokalen geraucht werden darf oder nicht, soll das Parlament entscheiden, meint der Verfassungsgerichtshof.

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Wien – Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat Dienstag mit einem Erkenntnis den Antrag der Wiener Landesregierung zum Tabak- und Nichtraucherschutzgesetz in der seit 1. Mai 2018 geltenden Fassung abgewiesen. Bei einer Raucherlaubnis in der Gastronomie sei der rechtspolitische Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers nicht überschritten, argumentierte das Gericht in einer Aussendung – oder einfacher gesagt: Statt der Richter müsse darüber der Nationalrat entscheiden.

Dieser plant ohnehin eine Abstimmung zur Frage. Immerhin ist seit dem Ende der türkis-blauen Koalition wieder eine Mehrheit gegen die Raucherlaubnis im Parlament in Sicht, weil sich die ÖVP jetzt nicht mehr an ihr mit der FPÖ 2017 ausverhandeltes Nein zum Verbot gebunden fühlt.

Niederlage für Wien

Diese Kehrtwendung hat nach Angaben der ÖVP auch weiterhin Bestand. Die Partei kündigte am Abend an, trotz des VfGH-Erkenntnisses in der Nationalrats-Plenarwoche im Juli gemeinsam mit SPÖ, Neos und der Liste Jetzt für die Initiative zu einem allgemeinen Rauchverbot in der Gastronomie stimmen zu wollen. Man bleibe "natürlich" bei dieser Entscheidung, verlautete es am Dienstag aus dem ÖVP-Klub, es sei ja schon alles ausverhandelt.

Das nunmehrige Urteil des VfGH hat eine längere Vorgeschichte: Die Wiener Landesregierung hatte die Aufhebung von Bestimmungen 2018 beantragt, die für "Räume der Gastronomie" eine Ausnahme vom allgemeinen Rauchverbot an öffentlichen Orten vorsehen. Unter anderem machte sie eine Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern verschiedener Betriebe sowie eine Verletzung des Vertrauensschutzes der Gastronomen geltend.

In Bezug auf den Arbeitnehmerschutz hält der VfGH fest, dass die Rechtsordnung in vielfachem Zusammenhang menschliche Verhaltensweisen akzeptiert, "die auf die eine oder andere Weise (auch erhebliche) negative Auswirkungen für andere Menschen oder die Allgemeinheit haben können, weil der Gesetzgeber den Freiheitsgewinn höher bewertet als die nachteiligen Folgen". Im demokratischen Rechtsstaat sei es nun einmal die Aufgabe des Gesetzgebers, die Freiheit der einen mit der Schutzbedürftigkeit der anderen und mit den öffentlichen Interessen in Einklang zu bringen.

Jubel nur bei der FPÖ

Die SPÖ reagierte freudlos auf den Entscheid. "Das Erkenntnis des VfGH zum Rauchverbot ist zwar bedauerlich, ändert aber nichts an meiner Position", so Parteichefin Pamela Rendi-Wagner. Die Wiener Umweltstadträtin Ulli Sima, sprach in einer Presseaussendung von "großem Bedauern".

Neos-Gesundheitssprecher Gerald Loacker sah sich vom Urteil in seiner Position gestärkt, dass das Parlament die Entscheidung treffen müsse. Die Neos würde weiterhin für das Verbot stimmen.

Als einzige Partei erfreut reagierte die FPÖ: Der designierte Wiener FPÖ-Obmann Dominik Nepp sprach von einem "Sieg der Vernunft" und einem "Gewinn für alle Wiener Gastronomen". Die Jubelstimmung dürfte nur bis zum 1. November anhalten: Dann kann ein neu beschlossenes Rauchverbot in Kraft treten.

Und FPÖ-Obmann Norbert Hofer betonte am Mittwoch, dass die Abstimmung im Nationalrat über ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie zur Nagelprobe für die ÖVP werde: "Ob man zu den im Koalitionsübereinkommen gefassten Beschlüssen steht oder nicht, ist eine Frage der Verlässlichkeit." Die FPÖ habe "von Anfang an klipp und klar festgestellt, dass sie an den damaligen Regierungsbeschlüssen festhält". Die ÖVP müsse für sich selbst entscheiden, ob sie das genauso sieht oder eben nicht".

ÖVP will ursprüngliche Regelung

Die ÖVP will, dass das Rauchverbot in der Version eingeführt, die schon ursprünglich 2015 geplant war und erst unter Türkis-Blau wieder außer Kraft gesetzt wurde. Das teilte der Parlamentsklub der APA mit und betonte, dass man sich mit den anderen Parteien (außer der FPÖ) einig sei. Änderungen in kleineren Details werden allerdings nicht ausgeschlossen. Wichtig war der Volkspartei, dass das Verbot erst mit 1. November in Kraft tritt, um entsprechende Übergangsfristen zu gewährleisten.

Der Beschluss aus dem Jahr 2015, der unter Rot-Schwarz getätigt wurde, sah ein komplettes Rauchverbot in der Gastronomie (ausgenommen Gärten) vor, das auch Wasserpfeifen und E-Zigaretten umfasste. Betroffen waren alle öffentlichen Orte, wo Speisen und Getränke hergestellt, verarbeitet, verabreicht oder konsumiert werden (z.B. auch Versammlungen in Pfarrsälen oder Feuerwehrfeste), nicht ortsfeste Einrichtungen wie Festzelte, Mehrzweckräumlichkeiten sowie schulische Einrichtungen und Freiflächen, in denen Kinder und Jugendliche beaufsichtigt und beherbergt werden (z.B. Internate). (APA, mesc, 18.6.2019)