Geflügelfarmen können zu einer hohen Ammoniakkonzentration im Grundwasser führen – schon allein deswegen muss man sie genehmigen lassen.

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Illegale Tierfarmen stellen für die Umwelt ein Problem dar. Der Grund: Bei Massentierhaltung entsteht durch Düngemittel, Gülle und Gärreste ein Stickstoffüberschuss, der von Pflanzen nicht vollständig aufgenommen werden kann und über Flüsse und Seen ins Grundwasser gelangt.

In Malaysia mussten wegen der hohen Ammoniakkonzentration im Grundwasser, die durch illegale Geflügelfarmen verursacht wurde, immer wieder Wasseraufbereitungsanlagen geschlossen werden, was wiederum die Trinkwasserversorgung von Großstädten bedrohte. Die Landwirtschafts- und Umweltbehörden haben gerade in großen Flächenstaaten wie Malaysia, Indonesien oder Brasilien Schwierigkeiten, die Betreiber illegaler Farmen aufzuspüren.

Die Stanford-Forscher Daniel Ho und Cassandra Handan-Nader glauben, eine Möglichkeit entdeckt zu haben, wie man dieser Umweltbelastung entgegentreten kann: Sie entwickelten einen Algorithmus, der diese Tierzuchtbetriebe auf Luftaufnahmen erkennt. Die Forscher trainierten auf Basis einer Bilddatenbank ein mathematisches Modell, um auf Satellitenaufnahmen charakteristische Merkmale von Tierfarmen zu erkennen. Schweinefarmen lassen sich etwa durch rechteckige Ställe identifizieren, die an flüssige Güllegruben angrenzten. Geflügelhöfe sind dagegen durch langgezogene Ställe gekennzeichnet. Computer sind gut darin, regelmäßig wiederkehrende Muster zu erkennen. Bei ihrer Analyse fokussierten sich die Forscher zunächst auf die geografische Region Nordkalifornien.

Prüfung mit bloßem Auge

Schon seit längerem versuchen Umweltschutzorganisationen, illegale Farmen auf Luftbildern zu erkennen – aber nur mit bloßem Auge. Doch diese Prüfung ist natürlich fehlerhaft, weil dem menschlichen Auge wichtige Details verborgen bleiben. Die Computervision ist viel gründlicher. Vor allem wird die künstliche Intelligenz (KI) nicht müde und unkonzentriert.

Der maschinell lernende Algorithmus errechnete für jedes Objekt eine Wahrscheinlichkeit, mit der es sich um eine Schweine- oder Geflügelfarm handeln könnte. Und er lag mit seinen mathematischen Ableitungen erstaunlich richtig. Die Wissenschafter fanden heraus, dass das derart trainierte KI-System immerhin fünf Prozent mehr Geflügelfarmen identifizierte als durch menschliche Sichtungen. "Das Modell detektierte 93 Prozent aller Massengeflügelhaltung in der Region", konstatieren Ho und Handan-Nader in ihrem Beitrag "Deep learning to map concentrated animal feeding operations im Fachjournal "Nature Sustainability." Die Forscher hoffen, dass sich mit den Fortschritten der KI die Umweltproblematik von Massentierhaltung eindämmen lässt. "Unsere Arbeit zeigt, wie eine Regierungsbehörde die rasanten Fortschritte von Computervision dazu nutzen kann, sauberes Wasser effizienter zu schützen", wird Forscher Ho schließlich in einer Pressemitteilung der Stanford University zitiert.

Algorithmen sind die besseren "Augen"

Die computergestützte Auswertung von Luftaufnahmen spielt in der Arbeit von Umweltbehörden eine zunehmend wichtige Rolle. Die britischen Wissenschafter Ray Purdy und Ray Harris haben im vergangenen Jahr das Institut Air and Space Evidence (ASE) als Tochter des University College London gegründet. Hier will man mithilfe von Algorithmen auf Satellitenbildern illegale Müllhalden aufspüren.

Seitdem China den Import von Plastikmüll gestoppt hat, schießen illegale Mülldeponien in den USA und Europa wie Pilze aus dem Boden – allein in England kommen jährlich laut Berechnungen 1000 neue hinzu.

Die Methode funktioniert relativ einfach: Der Algorithmus zerlegt das gescannte Kartenmaterial in geometrische Figuren wie etwa Rechtecke und vermisst Flächenabstände, zum Beispiel zwischen einer Grundstücksgemarkung und einem Fluss. Anhand der Abstandsmessungen detektiert der Algorithmus Anomalien, die auf eine illegale Müllhalde hindeuten können. Auch Veränderungen des Terrains auf neueren Aufnahmen fallen dem Algorithmus auf.

Müllhalden identifiziert

Den Forschern gelang es mithilfe statistischer Mustererkennungsverfahren, auf einem Testgebiet von 7000 Quadratkilometern, das ist fast die Hälfte der Fläche von Niederösterreich, 207 verdächtige Müllhalden zu identifizieren. Bedenkt man, wie arbeitsintensiv Kontrollen vor Ort sind, ist das ein beträchtlicher Rationalisierungsgewinn.

Allerdings besteht ein Problem in der Datengrundlage: Es stehen noch nicht ausreichend aktuelle Satellitenaufnahmen zur Verfügung, um das gesamte Gebiet Großbritanniens im Detail zu untersuchen.

Natürlich interessieren sich auch Behörden für die Technologie. So kam die griechische Steuerfahndung vor einigen Jahren Steuerhinterziehern mit Helikopterflügen und Google Earth auf die Schliche. Der Hintergrund: Beim Finanzamt Athen hatten 2010 lediglich 324 Bewohner einen Swimmingpool auf ihrem Grundstück deklariert. Das schien doch relativ wenig zu sein.

Steuerfahndung aus der Luft

Die Auswertung der Satellitenaufnahmen ergab dann tatsächlich ein völlig anderes Bild: Die Steuerbeamten zählten insgesamt 16.974 Swimmingpools. Die überwältigende Mehrheit hatte demnach ohne Baugenehmigung Pools errichtet beziehungsweise die Schwimmbecken nicht ans Finanzamt gemeldet.

Es gibt bereits Objekterkennungsalgorithmen, die Swimmingpools oder Briefkästen mit relativ hoher Genauigkeit erkennen können. Steuersünder müssen sich darauf gefasst machen, dass sie auch aus der Luft beobachtet werden können – was dann letztlich für sie recht teuer werden dürfte. (Adrian Lobe, 21.6.2019)