Wien – Einen Reisefotografen der besonderen Art hat sich die Wiener Wildtierforscherin Petra Kaczensky ausgesucht: nämlich eine Wildeselstute, Naran mit Namen. Die wurde mit einem Kamerahalsband mit Satellitenortungssender (GPS) ausgestattet, um ein Jahr lang Aufnahmen von ihren Wanderungen durch die Gobi zu machen. Die Ergebnisse dieses Experiments veröffentlichte die Forscherin im Fachjournal "Plos One", außerdem richtete sie für die Fotos eine Website ein.

Naran (Deutsch: "Sonne") ist ein Asiatischer Esel (Equus hemionus), eine relativ großgewachsene Eselart, die je nach Region unter verschiedenen Namen bekannt ist: etwa Onager, Khur, Dschiggetai oder Kulan. Kulane streifen durch Gebiete von tausenden Quadratkilometern und haben in der Wüste Gobi im Süden der Mongolei ihr weltweit größtes Vorkommen. Ihre hohe Mobilität, die Abgeschiedenheit ihres Lebensraums und dessen Unwirtlichkeit machen eine wissenschaftliche Untersuchung der stark bedrohten Tiere schwierig.

Einblicke

Narans Kamera dokumentierte für die Forscher mit 7.881 Fotos ein Jahr lang ein Leben aus der Eselsperspektive. Die Bilder zeigen zum Beispiel große Zusammenkünfte von Kulanen. "Sie leben nicht wie Pferde in stabilen, haremsartigen Gruppen, sondern kommen manchmal zu riesigen Herden von tausenden Tieren zusammen", sagt Kaczensky.

Nur mit Satellitensendern könne man nicht beobachten, ob ein Tier gerade alleine oder mit vielen anderen vereint ist. Durch die Kamera bekomme man eine bessere Vorstellung, an welchen Orten die Tiere zusammenkommen und könne so die Gebiete in der Gobi identifizieren, die besonders wichtig für die Kulane seien, sagte sie. Diese gälte es besonders zu schützen. Durch den menschlichen Einfluss sind nämlich die Ökosysteme in der Gobi bedroht.

Menschen werden klar gemieden

Offensichtlich sind die Kulane sehr darauf bedacht, ein Zusammentreffen mit Menschen zu vermeiden. Kein einziges der Fotos von Narans Kamera zeigt einen Hirten oder andere Leute, obwohl sich die Kulane ihren Lebensraum mit den Nomaden teilen, so Kaczensky. Es gebe lediglich zwei bis drei Schnappschüsse von Schafen und Ziegen. "Das spricht dafür, dass die Kulane den Leuten wirklich ausweichen", sagte die Forscherin.

Außerdem konnten die Forscher anhand von Narans Aufnahmen Wasserstellen identifizieren. "Auf Satellitenbildern ist es zum Beispiel schwierig, Wasser zu finden, oft handelt es sich nur um kleine Löcher, die teilweise durch Sand abgedeckt sind, und das Gebiet ist riesig", sagt Kaczensky. Die Wildesel graben jedoch in trockenen Flussbetten danach, wie Narans Fotos zeigen.

Vorbildcharakter

"Aufgrund des Erfolgs unseres Pilotprojekts könnte der Einsatz von Kamerahalsbändern bei Tieren in abgelegenen, sehr variablen Ökosystemen für Forschungs- und Erhaltungszwecke einen großen Mehrwert bringen", so Sanchir Khaliun von der Nationalen Universität der Mongolei. Damit könne man auch das Leben der Tiere einer breiten Öffentlichkeit zeigen, um ihr Bewusstsein für Natur- und Artenschutz zu schärfen, meinte Kaczensky. Deshalb habe man auch einen Teil der Bilder als Storymap im Internet veröffentlicht. (red, APA, 19. 6. 2019)