Als Eugene Cernan am 14. Dezember 1972 die Landefähre Challenger betrat, verließ er als bisher letzter Mensch die Mondoberfläche. In den drei Tagen davor hatte er mit seinem Kollegen Harrison "Jack" Schmitt im Taurus-Littrow-Tal im Mare Serenitatis mehr als 110 Kilogramm Mondgestein eingesammelt. Noch während ihres Außeneinsatzes wandten sich die beiden Astronauten der Apollo-17-Mission mit einer speziellen Widmung an eine Gruppe junger Menschen aus aller Welt, die sich zu dem Zeitpunkt gerade in Houston bei der Nasa befanden.
Das Apollo-Programm habe der Menschheit eine Herausforderung für die Zukunft eröffnet, erklärte Cernan – diese liege in den Händen der jungen Menschen weltweit. Diese müssten lernen, gemeinsam zu leben und zu arbeiten. Jack habe einen Stein aufgesammelt, der aus vielen Fragmenten unterschiedlicher Form, Größe und Farbe von allen Teilen des Mondes zusammengesetzt und wohl einige Milliarden Jahre alt sei, fuhr Cernan fort. Diese Teile – zu einem zusammenhängenden Stein gewachsen – lebten in gewisser Weise friedlich zusammen.
Frieden und Harmonie
Diesen knapp drei Kilogramm schweren Stein – er erhielt den Namen Lunar basalt 70017 – wollten die Astronauten mit den Ländern der Welt teilen: ein Symbol für die Menschheit, um in Zukunft in Frieden und Harmonie zu leben. Die "Goodwill Moon Rocks" wurden auf Weisung von US-Präsident Richard Nixon wenige Monate später an 135 Nationen und die US-Bundesstaaten verteilt: Jeweils rund 1,1 Gramm des Mondgesteins wurde in Acrylglas eingegossen und gemeinsam mit kleinen Landesflaggen aus dem Gepäck von Apollo 17 auf Holztafeln montiert. Schon nach Apollo 11, der ersten Mondlandung, hatten die USA an mehr oder weniger dieselben Empfängerstaaten Proben verteilt, mit 0,05 Gramm allerdings nur ein paar Krümel – trotzdem handelte es sich für lange Zeit um das einzige verfügbare lunare Gestein auf der Erde.
Umso erstaunlicher ist der lasche Umgang, der an vielen Orten der Welt mit den geschenkten Proben gepflegt wird: Von einer erheblichen Anzahl ist der Verbleib nicht bekannt. Ein Mann hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese verschollenen Stücke wieder aufzuspüren: Joseph R. Gutheinz Jr. ist seit mehr als zwanzig Jahren auf der Jagd nach dem verlorenen Mondstaub.
"Operation Mondfinsternis"
Gutheinz' Mission nahm seinen Ausgang im Jahr 1998 während seiner Zeit als Mitarbeiter des Office of Inspector General der Nasa. Die Einheit ist für die Kontrolle und Verbrechensbekämpfung innerhalb der Raumfahrtbehörde zuständig. Die "Operation Mondfinsternis" hatte eigentlich das Ziel, Betrüger aufzuspüren, die irdisches als lunares Gestein verkaufen wollen – eine Praxis, die schon kurz nach der ersten Mondlandung begonnen hatte. Gutheinz schaltete eine Annonce: "Mondgestein gesucht". Mit dem Angebot, das er darauf erhielt, hatte er jedoch nicht gerechnet: Für fünf Millionen Dollar wurde ihm die honduranische Apollo-17-Probe angetragen. Da die Bundesbehörden das Geld nicht auslegen wollten, sprang der Milliardär und ehemalige Präsidentschaftskandidat Ross Perot ein. Wie sich herausstellte, hatte sich ein Oberst der honduranischen Armee der Holztafel bemächtigt. Diesem kaufte der US-Obsthändler Alan Rosen das Stück um 50.000 Dollar ab. Rosen hatte sich zwar vor dem Erwerb informiert, dass es sich dabei nicht um US-Staatseigentum der Nasa handelte. Gutheinz beschlagnahmte die Tafel trotzdem, denn der Händler hatte den Mondstein bei der Einfuhr in die USA nicht ordnungsgemäß deklariert. 2004 kehrte die Probe nach Tegucigalpa zurück, jene der Apollo-11-Mission ist jedoch weiterhin unauffindbar.
Das gilt auch für Spaniens Exemplar: Die Familie Francisco Francos vertritt den Standpunkt, der Diktator habe das Stück persönlich geschenkt bekommen. In den Neunzigerjahren wurde angeblich ein Käufer gesucht. Danach verliert sich die Spur der Probe: Francos Erben geben an, dass sie wohl bei einem Hausumbau verlorenging. Rumäniens Goodwill Moon Rock hingegen wurde offenbar nach der Hinrichtung Nicolae Ceau?escus verkauft, während Irlands Apollo-11-Fragment 1977 nach einem Brand im Observatorium von Dunsink mit dem Schutt auf einer Deponie landete. Nicaraguas Apollo-11-Probe wiederum tauchte im Nachlass eines Casinobesitzers in Las Vegas auf. Dieser hatte es einem Missionar in Costa Rica abgekauft. Ein costa-ricanischer Söldner, der gegen die Sandinisten in Nicaragua kämpfte, hatte sie gestohlen. Auch manche verlorene Exemplare der US-Bundesstaaten tauchten wieder auf: Arkansas' Apollo-17-Stein etwa lag 30 Jahre in Bill Clintons Gouverneursarchiv, weiß Gutheinz.
Österreichs Exemplare sind zum Glück wohlbehütet: Das Apollo-11-Mitbringsel befindet sich im Technischen Museum, während das Stück aus dem Taurus-Littrow-Tal im Naturhistorischen Museum zu bewundern ist. Dort wird im Meteoritensaal auch eine größere Probe Mondgestein aus den Nasa-Beständen gezeigt.
Meteorite auf der Überholspur
Insgesamt brachten die Apollo-Missionen knapp mehr als 380 Kilogramm Mondgestein retour. Die Sowjets konnten mit ihren Luna-Sonden immerhin 301 Gramm Material schürfen. Erst 1982 wurde der in der Antarktis gefundenen Meteorit Allan Hills A81005 als Stein vom Mond identifiziert. Mittlerweile sind Mondmeteorite drauf und dran, die Proben der Mondmissionen mengenmäßig in den Schatten zu stellen und bieten Sammlern die Möglichkeit, auch auf legalem Weg ein Stückchen vom Mond zu besitzen. (Michael Vosatka, 20.6.2019)