Der Chor der babylonischen Untertanen versteht selbst nicht recht, was er spricht: Verwirrung in Melk.

Franz Gleiss

Als Intendant der Sommerspiele Melk knöpft sich Alexander Hauer bekanntlich die großen Themen der Weltliteratur vor. 2018 ließ er Bernhard Aichner Luzifer schreiben, jetzt inszeniert Hauer den Bibelmythos Babel. Mit Babylon will Hauer all den nachdenklichen Stücken der Vorjahre "eine positive Geschichte" entgegensetzen. Dass er gerade in der Geschichte vom Turmbau zu Babel "viele Utopien" sieht, weckt die Erwartung einer spannenden Bearbeitung.

Für die Uraufführung scheint das Autorenduo Feridun Zaimoglu und Günter Senkel die richtige Wahl zu sein. Zaimoglu kam selbst als Sohn eines türkischen Gastarbeiters in den 1960er-Jahren nach Deutschland. In vielen seiner Werke verarbeitete er die Rolle von Sprache in einer multikulturellen Gesellschaft.

Metallwürfel vor dem Benediktinerstift

Wer die Wachauarena betritt, staunt zunächst: Im Hintergrund der Freiluftbühne ragt das Stift Melk empor; ausgefallene Kostüme (Julia Klug) versprechen eine magische Welt; Linien, die im Orange des Stifts gehalten sind, kreuzen einander wild auf der Bühne (Daniel Sommergruber); ein wackliges Baugerüst aus verschiebbaren Metallwürfeln ragt zum Benediktinerkloster. Ist das der ketzerische Turm? Als König Enmerkar (Giuseppe Rizzo) zu sprechen beginnt, wird schnell klar, dass hier der Mythos zu einem flachen Eifersuchtsdrama verkommt. Hauptsächlich locken den König die Reize seiner Konkubine (Dagmar Bernhard). Ob der Untreue ihres Mannes gekränkt, träumt Königin Ninegala (Maxi Blaha) vom Untergang ihres Reiches.

Platte Dialoge ersticken das Eigentliche

Magere Rollen und platte Dialoge ersticken das schauspielerische Potenzial von Anfang an. Der erste Akt zieht sich und überdeckt, um was es eigentlich geht: die menschliche Hybris, die zwar die Möglichkeit zur Emanzipation beinhaltet, aber auch den Untergang der Menschheit bedeuten könnte.

Als im zweiten Teil die Götter auftreten, um über das Schicksal der Menschen zu entscheiden, gewinnt das Stück etwas an Fahrt. Der Chor der Untertanen versteht sich allmählich nicht mehr, und auch das Publikum weiß kurz nicht, was gesprochen wird. Doch der saure Kitsch braucht sein Happy End: Weil wahre Liebe keine (Sprach-)Grenzen kennt, schmusen die Jüngsten der beiden Völker minutenlang auf der Bühne. Während König Enmerkar noch schnell befiehlt, alle Wilden mit fremden Sprachen auszurotten, sucht seine Gemahlin einen häuslichen Neuanfang: Das war's dann mit der Utopie in Melk. (Laurin Lorenz, 20.6.2019)