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Laut Angaben der iranischen Revolutionsgarden stammen diese Trümmer von der abgeschossenen Drohne.

Foto: Reuters/Tasnim News Agency

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Der Iran ließ am Donnerstag ein Bild des geistlichen Führers Ali Khamenei mit dem System 3 Khordad verteilen – dieses schoss eine US-Drohne ab.

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Eine Drohne vom Typ RQ-4 Global Hawk auf der kalifornischen Beale Air Force Base.

Foto: APA/AFP/US AIR FORCE/TRISTAN Tristan D. Viglianco

Angeblich, so berichtet es die "New York Times", waren in der Nacht auf Freitag die Flugzeuge schon in der Luft, Kriegsschiffe schon in Position und die Ziele – Radarstationen oder Raketenbatterien des Iran – bereits ausgewählt. Erst in letzter Sekunde sagte US-Präsident Donald Trump einen Angriff auf den Iran doch noch ab, erklärte er auf Twitter, weil die vom US-Militär erwarteten 150 Todesopfer im Vergleich zum Abschuss einer US-Drohne doch "unverhältnismäßig" gewesen wären.

Ob dafür späte Zweifel des US-Präsidenten oder eine geänderte Militärstrategie verantwortlich waren, sei nicht klar, fügt das Blatt in seinem Bericht an, der sich auf Quellen im US-Verteidigungsapparat stützt. Daher könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass ein Angriff später doch noch erfolge. Die "Washington Post" berichtete wenig später unabhängig davon Ähnliches.

Der Iran gab am Freitagmorgen bekannt, über diplomatische Kanäle des Oman bereits eine Vorwarnung der USA über einen bevorstehenden Angriff bekommen zu haben. Trump habe demnach aber auch mitgeteilt, er wolle keinen Krieg, sondern Gespräche. Der US-Präsident habe dem Iran dafür eine kurze Frist gesetzt. Diese wies Teheran aber zurück. Der Iran soll nach Angaben der Agentur Reuters geantwortet haben, das geistliche und staatliche Oberhaupt der Islamischen Republik, Ayatollah Ali Khamenei, sei gegen jede Art von Gesprächen mit den USA. Allerdings zitierte die iranische Agentur Irna Außenminister Mohammed Javad Zarif, der dem Schweizer Botschafter in Teheran ausdrücklich versicherte, sein Land wolle keinen Krieg mit den USA. Die Schweiz übernimmt wegen der fehlenden diplomatischen Beziehungen beider Staaten oft eine Vermittlerrolle. Sollte es aber zu einer Militäraktion der USA kommen, hätte Washington die Konsequenzen dafür zu schultern.

Marschbefehl war schon erteilt

Jedenfalls waren Marschbefehl und Rückzug offenbar heftige Diskussionen vorausgegangen, wie mit dem Abschuss einer unbemannten US-Drohne durch den Iran am Donnerstag umzugehen sei. Sicherheitsberater John Bolton und CIA-Chefin Gina Haspel sollen Trump demnach einen begrenzten Angriff – wie 2017 und 2018 auf Syrien – nahegelegt haben. Im Pentagon habe es hingegen Zweifel gegeben. Dort befürchtete man, dass sich die Eskalationsspirale nach Taucherattacken auf Öltanker, Angriffen mit Seeminen und der Verlegung von US-Flugzeugträgern, -Bombern und tausend weiteren US-Soldatinnen und -Soldaten in die Region dann noch schneller drehen würde.

Immerhin hatten sich schon vor den jüngsten Geschehnissen gefährliche Warnzeichen gehäuft, die sich am Donnerstag um 1.35 Uhr in der Früh zu einer ernsten Konfrontation auswuchsen. Immerhin aber kamen keine Menschen zu Schaden, als der Iran in der Nacht eine US-Aufklärungsdrohne nahe der Straße von Hormus abschoss.

Irans rote Linien

Doch daran, wie heiß die Situation wird, ließ auch die iranische Propaganda keinen Zweifel: Sie ließ General Hossein Salami, Ende April zum Chef der Revolutionsgarden aufgerückt, im TV live eine feurige Rede halten. Salami zog dabei eine rote Linie: Zwar wolle sein Land keinen Krieg, man werde sich aber verteidigen. Und wer die Grenzen des Iran verletze, der werde einer Konfrontation mit dem iranischen Militär nicht ausweichen können. Genau das wirft Teheran den USA im aktuellen Konflikt vor: Die Revolutionsgarden behaupten, die Drohne sei in den eigenen Luftraum eingedrungen.

Die USA bestreiten das: Das Flugzeug vom Typ RQ-4 Global Hawk (auch MQ-4 Triton) habe sich 34 Kilometer vor der iranischen Küste über internationalen Gewässern befunden. Irans Außenminister Zarif hingegen veröffentlichte Koordinaten, die schon in den iranischen Hoheitsgewässern liegen. Sein Stellvertreter Abbas Araghchi erklärte, einige Überreste der Drohne seien in iranischen Gewässern gefunden worden. Allerdings präsentierte der Iran Freitagvormittag Bilder, die Trümmer der abgeschossenen Drohne zeigen sollen. Später hieß es aus dem Iran, man habe sich am Donnerstag sogar in Zurückhaltung geübt: Ein US-Flugzeug, das mit 35 Menschen an Bord die Drohne begleitet habe, habe man bewusst nicht abgeschossen.

Es ist laut Washington zwar der erste Treffer, aber schon der zweite Angriff des Iran auf eine US-Drohne in den vergangenen Tagen. Vergangene Woche haben die USA Teherans Militär beschuldigt, im Golf von Oman ein unbemanntes Aufklärungsfluggerät unter Beschuss genommen zu haben. Dieses hätte dabei helfen sollen, nach den Angriffen auf zwei Öltanker Klarheit über das Ausmaß der Schäden zu gewinnen. Die beiden Schiffe, Kokura Courageous und Front Altair, waren nach Angaben der USA mit Haftminen beschädigt worden, die Kokura Courageous war sogar in Brand geraten. Die USA präsentierten später Luftaufnahmen, auf denen angeblich zu sehen ist, wie Mitglieder der Revolutionsgarden versuchen, im Geheimen nichtexplodierte Sprengladungen vom Schiff zu entfernen. Der Iran bestreitet diese Interpretation, die Männer hätten nur bei der Evakuierung geholfen.

DER STANDARD

Treffen in Wien geplant

Der jüngste Anstieg der Spannungen hat auch mit dem nun endgültig drohenden Ende des Atomdeals mit dem Iran zu tun. Die USA sind bereits im Mai 2018 ausgestiegen, der Iran hat sich aber – ebenso wie die anderen Vertragspartner Russland, China, Frankreich, Deutschland und die EU – bis vor kurzem an die Abmachungen gehalten, die ihm im Austausch für eine Aufhebung von Sanktionen den Bau einer Atombombe vorerst verunmöglichen sollten.

Allerdings betont Teheran in den vergangenen Wochen immer deutlicher, dass die eigene Geduld zu Ende gehe: Weil die USA neue Sanktionen erlassen hätten, könne man nun einige Vorgaben des Deals nicht mehr erfüllen – etwa den Export niedrig angereicherten Urans im Austausch für Natururan. Zugleich hat Teheran aber die Produktion niedrig angereicherten Urans auch deutlich beschleunigt. Ein am Mittwoch vereinbartes Treffen in Wien am kommenden Freitag, 28. Juni, gilt nun als letzte Chance für die Rettung des Abkommens.

Zauberlehrling Donald Trump

Gegen solche Rettungsversuche sträuben sich die US-Verbündeten in der Region. Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate fordern schon lange ein Ende des Deals. Sie verdächtigt der Iran daher, die Spannungen in der Region bewusst in die Höhe zu treiben. Allerdings tragen dazu auch die Verbündeten des Iran selbst ihr Scherflein bei: Die jemenitische Huthi-Miliz, die vom Iran unterstützt wird, hat in den vergangenen Tagen ihre Angriffe auf saudi-arabisches Staatsgebiet verschärft. Gegen ihren Vorstoß in die jemenitische Hauptstadt Sanaa führen saudische und emiratische Truppen seit 2015 einen blutigen Krieg. Die Saudis griffen als Vergeltung am Freitag Ziele der Huthis an. Beiden Seiten werden an dem Krieg schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen.

Fraglich bleibt aber besonders nach dem freitäglichen Hin und Her über einen Angriff, wohin US-Präsident Trump in Sachen Iran tendiert. Er hat stets die harte Hand gegen Teheran betont und mehrere "Falken" im Konflikt mit dem Iran in sein Kabinett geholt. US-Medien berichten nun allerdings, dass Trump plötzlich in Sorge sei, weil der von ihm mitgeschürte Konflikt sich nun tatsächlich zum Krieg auswachsen könnte.

In den Krieg "stolpern"

In Sorge sind auch die oppositionellen US-Demokraten, auch sie sehen die Gefahr eines Krieges. "Der Präsident hat wohl nicht vor, in den Krieg zu ziehen, aber wir sind besorgt, dass er und die Regierung in einen Krieg hineinstolpern könnten", sagte der Fraktionschef der Demokraten im US-Senat, Chuck Shumer, nach einem Gespräch mit Trump am Donnerstag.

Schumer pocht auf die Befugnisse des Senats: Dieser müsse zustimmen, ehe Geld für eine Militäraktion gegen den Iran fließen könne, betonte er. Die demokratische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, forderte die Regierung auf, alles in ihrer Macht Stehende für eine Deeskalation der Lage zu tun. Nötig sei "ein starker, intelligenter und strategischer Zugang, kein leichtsinniger". Auch Pelosi forderte, dass die Regierung keine Militäraktionen ohne vorherige Zustimmung des Kongresses starten dürfe. (Manuel Escher, APA, 21.6.2019)