Foto: Total Recall / Carolco Pictures

Von Robotern, die über die generelle Intelligenz eines menschlichen Gehirns verfügen, mögen wir noch ein paar Jahrzehnte entfernt sein. Doch schon heute nehmen uns lernende Algorithmen Arbeit ab, sorgen für sicherere Diagnosen in der Medizin und beweisen, dass Maschinen sogar künstlerisch tätig sein können. Ein Einblick in die gegenwärtigen und absehbaren Kompetenzen der künstlichen Intelligenz (KI):

Selbstfahrende Autos sollen den Verkehr künftig sicherer machen. Autonome Züge sind schon seit Jahren im Einsatz.
Foto: APA/AFP/Courtesy of Nuro/HO

Robotaxis

Selbstfahrende Autos sind nur ein Teil des autonomen Verkehrs von morgen, an dem seit geraumer Zeit intensiv gearbeitet wird. 2015 verriet der Luftfahrtkonzern Boeing, dass Piloten bei Linienflügen im Schnitt nur noch sieben Minuten manuell steuern würden. Und seit einigen Jahren sind Züge im Einsatz, die ohne Zugführer auskommen. Auch die Wiener U5 wird dazugehören.

Selbstfahrende Autos und Lkws sind eine größere Herausforderung, weil Straßenverkehr chaotisch ist. Aktuelle Autopiloten unterstützen Fahrer dabei, sicherer zu navigieren, sie ersetzen sie aber nicht. Vollautonome Vehikel würden laut McKinsey-Schätzung 90 Prozent weniger Verkehrsunfälle verursachen. Und effiziente Carsharingmodelle könnten einer MIT-Sudie nach für 75 Prozent weniger Taxis auf den Straßen sorgen und gleichzeitig die Wartezeit verkürzen.

Wie bald das alles geschehen wird, darüber streiten sich die Erfinder. E-Auto-Vorreiter Tesla will bereits 2020 eine Roboterflotte haben, und Andrew Ng, Chefforscher von Baidu, glaubt, dass es 2021 so weit sein wird. Pessimistischere Experten sehen diese Zukunft jedoch noch Jahrzehnte entfernt.

Messenger wie jene von Google erstellen bereits selbst passende Antworten inklusive Smileys.
Foto: Google

Digitale Heinzelmännchen

Maschinen werden uns vor allem Arbeit abnehmen, die uns wenig Freude bereitet. Das beginnt im Kleinen: Der lernende Spamfilter von Gmail etwa sortiert bereits 99 Prozent aller unerwünschten E-Mails aus, und Messenger wie jene von Google erstellen bereits selbst passende Antworten inklusive Smileys, um uns das Tippen üblicher Phrasen zu ersparen.

Die Beratungsfirma Capgemini bietet Software, die Finanzberichte lesen und analysieren kann, um relevante Inhalte zu extrahieren. Die Universität von Chicago testete bereits ähnliche Systeme für den Schuleinsatz, um Lehrer bei der Bewertung von Arbeiten zu unterstützen und früh Schwächen und Stärken von Schülern identifizieren zu können.

Und die Chancen stehen gut, dass man trockene Faktenreports künftig nicht mehr selbst schreiben muss: Schon heute fassen Programme Sportereignisse und Börsenberichte für uns zusammen. Das Ziel: weniger Routinetasks und mehr Zeit zum Denken.

Die KI-Lösung "Let there be color" kann auf Basis riesiger Bilddatenbanken besser als jeder Historiker alte Schwarz-Weiß-Fotos und -Videos realitätsnah einfärben.
Satoshi Iizuka

Künstelligenz

Heutigen KIs fehlt das, was wir als Bewusstsein erachten. Trotzdem sind sie in der Lage, Kunstwerke herzustellen. Seit fast zehn Jahren etwa inspirieren uns die Gedichte von Ray Kurzweils Cybernetic Poet, der basierend auf den Ergüssen menschlicher Autoren ins Dichten kommt.

Mit den Plug & Play Generative Networks hat ein Forscherteam um Anh Nguyen einen Generator entwickelt, der selbstständig fotorealistische Bilder erzeugen kann. Aus dem Nichts entstehen so Störche, Vulkane oder auch Klöster. Ebenso spannend ist die KI-Lösung Let there be color (Video), die nachweislich besser als jeder Historiker alte Schwarz-Weiß-Fotos und -Videos realitätsnah einfärben kann.

KI-Komponisten verwöhnen wiederum unsere Ohren. Die Open-Source-Lösung Musenet etwa kann wohlklingende Musikstücke jedes Genres komponieren und dafür zehn unterschiedliche Instrumente gleichzeitig bedienen.

Intelligente Systeme können massiv dazu beitragen, präzisere medizinische Diagnosen zu treffen.
nature video

Maschinen in Weiß

Der erste Computerassistent stand Ärzten bereits in den 1970ern zur Seite. Erfinder Edward Shortliffe konnte zeigen, dass Mediziner mit seiner Software Infektionskrankheiten um bis zu 20 Prozent besser in den Griff bekamen. Seither hat sich viel getan.

2016 demonstrierten Forscher um Dayong Wang, dass Fehldiagnosen bei bösartigem Brustkrebs dank Bilderkennungssoftware um 85 Prozent reduziert werden können. Im Jahr darauf veröffentlichte die Universität Stanford einen Algorithmus, der Hautkrebs besser erkennt als Dermatologen. Ebenso erfolgreich verlief ein Projekt der Uni, um anhand von Röntgenbildern maschinell Erkrankungen im Brustbereich zu identifizieren. Forscher aus Nottingham entwickelten unterdessen eine KI, die genauer als Ärzte prognostizieren kann, ob ein Patient in den nächsten zehn Jahren einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erleiden wird.

Basierend auf Millionen Krankendaten können spezialisierte KIs also schon heute die Qualität von Behandlungen steigern und zur Prävention beitragen. Firmen wie Autonomous Healthcare arbeiten nun daran, die vielen Diagnose- und Überwachungsgeräte über ein intelligentes System zu verknüpfen. Davon sollen langfristig nicht nur Patienten auf Intensivstationen profitieren.

KI-Assistenten werden uns in Zukunft immer mehr unter die Arme greifen. Die dahinterstehenden Konzerne sammeln dabei kräftig Informationen über uns.
Foto: Temi

Blechbutler zu Diensten

Bis Siri und Alexa wirklich den Haushalt schupfen können, werden noch viele Daten über den Äther strömen. An humanoiden Assistenten wird allerdings bereits kräftig geschliffen.

Mit der Einführung von neuralen Netzen 2016 wurden große Sprünge bei der maschinellen Erfassung von Sprache gemacht. Digitale Butler erkennen nicht nur Schrift und Stimmen, dank Erfindungen wie Lipnet könnten sie heute auch schon präziser als Menschen Lippen lesen. Mittels der digitalen Stimmreproduktion Wavenet nehmen Roboterstimmen menschliche Züge an, und Suchalgorithmen wie jene von Google und Amazon wissen beängstigend gut über unsere Wünsche Bescheid.

Ein Versuch, diese vielen Skills in ein alltagstaugliches Gefäß zu kippen, ist der autonome Roboter Temi. Er kann dank einer Vielzahl von Sensoren und seines Softwarehirns seinen Herrchen und Frauchen folgen, Notizen, Anrufe und Termine entgegennehmen, Momente als Video festhalten und ein Auge auf die Kinder werfen oder die Katze suchen. (Zsolt Wilhelm, 24.6.2019)

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