Im kommenden Jahr wird Facebook eine eigene Kryptowährung an den Start bringen. Dafür ist der IT-Riese in Gesprächen mit Finanzinstituten, Händlern und Regierungsvertretern. Mit rund 30 Partnern sollen bis zu über einer Milliarde Menschen Zugang zur "Libra" bekommen, die man als eine Art "Weltwährung" etablieren möchte.

Facebook verspricht sich viel. Die Währung soll vor allem Nutzern in Entwicklungs- und Schwellenländern dienen, die sich oft mit den Tücken grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs konfrontiert sehen. Als via App eingesetztes Zahlungsmittel soll es unter anderem teure Transaktionsgebühren umgehen.

Libra dürfte im Frühjahr 2020 an den Start gehen (Symbolbild).
Foto: DER STANDARD/Pichler

Geld, aber keine Währung

Doch was ist Libra eigentlich? Es handelt sich um "Geld", mit dem sich Waren und Dienstleistungen bezahlen lassen, aber nicht um eine Währung im staatsrechtlichen Sinne, erklärt Philipp Sandner, Experte vom Blockchain Center der Frankfurt School of Business. Allerdings kann man Libra in eine solche umwechseln.

Da sie nicht als klassische Währung anerkannt ist, wird sie keine Rolle im reinen Unternehmensumfeld spielen, da Firmen ihre Buchhaltung nur in offiziell akzeptierten Währungen abwickeln dürfen. Sie wird künftig vor allem bei Transaktionen zwischen Privatpersonen sowie Unternehmen und Endkunden zum Einsatz gelangen.

Bankeinlagen und Staatsanleihen

Konzeptuell ist Libra als sogenannter "Stablecoin" angelegt. Statt die Wertbildung allein dem Marktvertrauen zu überlassen, findet hier eine Besicherung über Bankeinlagen und Staatsanleihen statt. Damit sollen große Kursfluktuationen, wie sie etwa bei Bitcoin in den letzten Jahren immer wieder gut zu beobachten waren, ausgeschlossen werden, was Libra für Spekulationen potenziell uninteressant macht.

Die Kontrolle über Libra soll nicht Facebook allein bekommen, sondern über die neu gegründete Libra Association gestreut werden. Hier erhält Facebook wie auch die anderen Gründungsmitglieder jeweils eine Stimme bei Abstimmungen über die Zukunft der Kryptowährung, fasst Techcrunch zusammen.

TechCrunch

Visa und Co an Bord

Ebenfalls an Bord sind Finanzdienstleister Visa, Transportdienst Uber und der Investor Andreessen Horowitz. Die Organisation soll sich auch um die dahinterliegende, quelloffene Blockchain und die für sie entwickelte Programmiersprache Move kümmern.

Zudem fällt auch die Anwerbung neuer Partner aus dem Unternehmensumfeld in ihre Agenden. In Zukunft soll der Verband weitere Mitglieder bekommen, die allerdings zumindest zehn Millionen Dollar an Kapital einbringen müssen, das unter anderem in die dezentral angelegte Infrastruktur für Zahlungsverkehr fließt.

Daten sollen von Facebook getrennt bleiben

Eine neue Tochterfirma von Facebook, Calibra, hingegen übernimmt die Abwicklung des Libra-Zahlungsverkehrs. Unter anderem soll sie sicherstellen, dass Facebook-Nutzerdaten und Transaktionen strikt voneinander getrennt bleiben. Während Zahlungen in der Blockchain nachvollziehbar sind, sollen sie keinen Rückschluss auf die Identität des Nutzers ermöglichen.

Facebook und alle anderen, die den Betrieb von Libra stemmen, verdienen ihr Geld über Zinsen auf die Reserven, die man aus dem Geld bildet, das Nutzer einzahlen, wenn sie Fiat-Geld (traditionelle staatlich anerkannte Währungen) in Libra umtauschen. Diese Reserven dienen ebenfalls der Erhaltung eines stabilen Kurses für die Kryptowährung.

Das soziale Netzwerk hofft auch auf Umwegrentabilität. Wenn man mit Libra den E-Commerce dort ankurbeln kann, gibt es auch mehr Firmen, die Interesse daran haben dürften, dort gegen Entgelt Werbung zu schalten.

Große Chancen, große Risiken

Hinter dem Modell Libra stecken sowohl große Chancen als auch Risiken. So könnte es eine Alternative für die vielen Menschen bieten, die bis heute keinen Zugang zum traditionellen Zahlungssystem haben. Auslandsarbeiter aus Schwellenländern könnten etwa schnell Geld an ihre daheimgebliebenen Familien überweisen und dabei zwielichtigen Mittelsmännern mit hohen Gebühren entgehen.

Facebook selbst macht sich mit seinem Einstieg in das Business der Zahlungsdienstleister damit freilich auch als Social Network – sprich Identitätsanbieter – für neue Nutzer attraktiv. Ist Libra erfolgreich, könnte sie auch die Akzeptanz anderer Kryptowährungen erhöhen und indirekt auch deren Kurs nach oben drücken.

Dem gegenüber stehen zwei Gefahren. Die technisch offen gestaltete Libra-Plattform könnte missbraucht oder gehackt werden, sollte bei der Entwicklung und Absicherung eine grobe Lücke übersehen werden. Ebenso könnte sich herausstellen, dass das Zahlungsnetzwerk nicht so gut skaliert, wie man sich erhofft. Dann könnten Transaktionsverzögerungen und andere Ärgernisse das Projekt schnell infrage stellen und damit das ohnehin angeschlagene Vertrauen in Kryptowährungen weiter beschädigen. (gpi, 21.06.2019)