Vergnügliche Ehrenrettung der US-Politikerelite: Charlize Theron und Seth Rogen in "Long Shot".

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Sachverstand ist das eine, Popularität das andere. Die Spindoktorin hat einige Vorschläge für die Politikerin parat, wie sich die Begeisterung der Wähler steigern ließe. Ein werbewirksamer Freund wäre beispielsweise nicht schlecht. Oder noch wichtiger: Humor. Reden mit witzigen Pointen, die Nähe stiften. Denn wer interessiert sich schon ernsthaft für Themen?

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Ausnahmsweise geht es hier einmal nicht um österreichische Innenpolitik. Die Rede ist von der US-Außenministerin Charlotte Field, die in der Komödie Long Shot von Charlize Theron verkörpert wird. Field hat große Karrierepläne, sie will den allerwichtigsten Job. Dort sitzt gerade ein eitler Clown (Bob Odenkirk), der sich zum Glück mehr für seine eigene TV-Serie interessiert. Ein verkehrter Reagan, der Platz machen will. Field, die Profipolitikerin, soll es sein. Aber woher das entscheidende "Je ne sais quoi" nehmen?

Spätestens an dieser Stelle ist es an der Zeit, zu erwähnen, dass Long Shot für Seth Rogen maßgeschneidert wurde. Der kanadische Komiker wurde durch Komödien von Regisseur/Produzent Judd Apatow zu Hollywoods bevorzugtem Betamann: bärig, sensibel, komisch, aber nicht im engeren Sinne attraktiv. Aus seiner unwahrscheinlichen Anziehung auf Frauen beziehen die Filme ihren widersprüchlichen Reiz. Nach Schauspielerinnen wie Rose Byrne oder Katherine Heigl geht es nun mit der divenhaften Charlize Theron noch einmal steil bergauf. Mehr Kontrast ist nicht denkbar.

Zum richtigen Zeitpunkt

Jonathan Levines Komödie kommt gerade zum richtigen Zeitpunkt daher. Während sich Amerika auf eine Wahlschlacht vorbereitet, die wohl wieder viel zur Polarisierung beitragen wird, fantasiert Long Shot breitenwirksam von einer Politik, der es nicht an Menschlichkeit mangelt. Die Formel von einer unorthodoxen Paarung treibt er ein paar Drehungen ins Politische hinein. Breite Satire mit wacher Geisteshaltung, einen Vorwahlkampf mit Seitenhieben aufs reale Politparkett zu verbinden, all das lässt das wendige Drehbuch von Dan Sterling und Liz Hannah zu. Nicht die Zuspitzung ist das Problem, sondern die Form der Vermittlung. Die Frage, wie weit eine begabte Politikerin ihren Pragmatismus treibt, ohne sich selbst zu verleugnen.

Rogens Fred Flarsky ist ein linksgerichteter Journalist bei einem kleinen Brooklyner Blatt, das gerade von einem Medientycoon geschluckt wurde. Mit anderen Worte: Er kommt der Kündigung zuvor. Bei einer Party trifft er zufällig auf seinen Jugendschwarm, jene Frau, die ihm als Babysitterin einmal eine unvorteilhafte Erektion beschert hat. Flugs wird Flarsky von der möglichen Präsidentschaftskandidatin als rhetorische Wunderwaffe beschäftigt, um den Kontakt zu den Leuten zu stärken.

Kein Politikerbashing

Die Konflikte zwischen dem Idealisten, der keinen Millimeter von seinen Standpunkten abzurücken bereit ist, und der konsensorientierten Politikerin sind zwar abzusehen, doch Long Shot verliert sich nicht in Politikerbashing. Das ist auch ein Verdienst von Charlize Theron: Mit Charlotte Field zeigt sie die einem Drama würdige Reibung zwischen öffentlicher und privater Rolle auf – oft in minimalen Manövern wie einem Lächeln, das zur Grimasse gefriert. Sie ist ein perfektes Bild, und gleich dahinter ein Mensch mit gewöhnlichen Begierden.

Wie viele Politfabeln wählt Long Shot für seine Erzählung die Form einer Reise. Field sucht mit einer internationalen Imagetour Allianzen für ihren Plan gegen die Erderwärmung, am Ende will sie ihre Kandidatur verkünden. Levine und Rogen sorgen dafür, dass dabei auch Raum für Umwege bleibt: Neben Zerwürfnissen über den Selbstverkauf gibt es romantische Eskapaden und eine Geiselkrise, die als (halluziniertes?) Einsatzkommando unter Drogeneinwirkung absolviert wird.

Anders als in Politkomödien wie Dave, wo der Mann des Volkes vom Establishment an der Nase herum geführt werden sollte, funktioniert die Verschiebung von Long Shot in beide Richtungen. Flarsky, der "bessere Präsident" aus der Basisdemokratie, kommt ein Stück näher an die Macht heran. Umgekehrt wird die Politikerzunft hier nicht als lebensferne Elite in Misskredit gebracht, sondern zurück auf menschliche Verhältnisse geschraubt. Volk und Repräsentant blicken einander verliebt in die Augen. Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich lautet der deutsche Zusatztitel. Der ist in diesem Fall goldrichtig. (Dominik Kamalzadeh, 22.6.2019)