Röntgenaufnahme als Beweis: Hier sitzt der harte Fortsatz am Schädel einer 28-jährigen Person (das rechte Drittel der Abbildung zeigt das fast drei Zentimeter lange "Handyhorn" in Vergrößerung).
Foto: Scientific Reports

Die Erfindung des Smartphones hat unser Leben grundlegend umgekrempelt: Die Veränderungen beschränken sich nicht nur auf das Kommunizieren, Lesen und Arbeiten, sondern auch darauf, wie wir lieben oder einkaufen. Ein unvoreingenommener Betrachter könnte meinen, dass wir mit dem klugen Ding in der Hand mittlerweile regelrecht verwachsen sind.

Mehr oder weniger neue Studien, die dieser Tage in australischen und US-Medien heftig diskutiert werden, legen nahe, dass das Bild des "Verwachsen-Seins" durchaus wörtlich zu nehmen ist. Diese Untersuchungen behaupten nämlich, dass die häufige Handynutzung tatsächlich Auswirkungen auf unsere Anatomie hat.

Handydaumen als Symptom

Mediziner warnen schon seit längerem vor dem sogenannten Handydaumen, der zwar keine klar definierte Erkrankung ist, aber Ähnlichkeit mit dem Karpaltunnelsyndrom aufweist. Doch nun behaupten Anatomen und Biomechaniker, dass sich durch andauerndes Starren auf das Smartphone insbesondere an den Schädeln junger Menschen mit der Zeit knochenharte Veränderungen ausbilden.

Konkret geht es um einen hornartigen Stachel, der sich an der Rückseite des Schädels entwickelt. Solche sogenannten Knochensporne werden durch die chronische Vorwärtsneigung des Kopfes verursacht. Vergleichbar ist das mit der sogenannten Kallusbildung an der Haut, also hornartige Verdickungen, die durch Druck oder Abrieb entstehen.

1.200 anatomische Aufnahmen

Trägt auch die Smartphonenutzung dazu bei? Um diese Frage zu klären, haben die australischen Forscher Mark Sayers und David Shakar (beide University of the Sunshine Coast in Queensland) Röntgenaufnahmen von 1.200 zufällig ausgewählten Personen zwischen 18 und 86 Jahren unter die Lupe genommen. Eigentlich würde man vermuten, dass diese hornartigen Fortsätze, die auf einen degenerativen Prozess zurückgehen, bei älteren Personen häufiger und länger sind.

Doch wie die Forscher im Fachjournal "Scientific Reports" behaupten, war genau das Gegenteil der Fall: Die Stacheln, die sich bei rund einem Drittel der Personen zeigten, kamen bei jüngeren Personen häufiger vor und waren bei diesen auch länger.

Vier untersuchte Teenager

Kurze Zeit später kamen die beiden Forscher in einem Aufsatz im Fachblatt "Clinical Biomechanics" zu einem ganz ähnlichen Ergebnis: Am Beispiel von vier Teenagern versuchten sie zu beweisen, dass die Fortsätze nicht durch genetische Faktoren oder Entzündungen verursacht wurden, sondern auf die mechanische Belastung der Muskeln im Kopf- und Halsbereich zurückgingen.

Diese beiden Studien rückten vor wenigen Tagen durch einen längeren Bericht der BBC in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit und lösten prompt einige heftige Diskussionen aus. Denn nicht alle Experten teilen die Meinung, dass die jüngere Generation, die mit dem Smartphone aufgewachsen ist, auch stärker unter "Verwachsungen" am Schädel leidet.

Physiologische Zweifel

So meinte etwa der Yale-Physiologe Michael Nitabach gegenüber der Zeitung "Washington Post", dass es unsinnig sei, mögliche Korrelationen zwischen Smartphonenutzung und Schädelmorphologie herzustellen, zumal man nicht einmal weiß, wie sehr und in welcher Kopfstellung die Personen mit den "Schädelhörnern" tatsächlich ihr Smartphone genutzt hätten.

Sayers und Shakar, die Erfinder des "Handyhorns", halten dennoch an ihren Behauptungen fest. Gegenüber der "Washington Post" stellten sie aber auch klar, dass sie mit ihren Forschungen nicht dazu beitragen wollen, die Smartphonenutzung möglichst stark einzuschränken. Vielmehr würde es darum gehen, Teenagern den richtigen Umgang mit Smartphones – und nicht zuletzt: die richtige Haltung dabei – möglichst schon in der Schule zu vermitteln. (tasch, 21.6.2019)