Die Statue von Alexander dem Großen im griechischen Thessaloniki erinnert an das umstrittene Namensabkommen mit dem Nachbarn im Norden: Nordmazedonien.

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In Griechenland ist balkanische Normalität eingekehrt. Kurz vor der Parlamentswahl sorgte Premierminister Alexis Tsipras noch dafür, dass einige Beamte in höhere Positionen gehievt wurden – unter anderem ins Parlament, wo die Bezahlung besser ist. Diese Beamten stehen der linken Syriza nahe. Für einen Skandal sorgte etwa die frühere Vorsitzende der Kommission für Transparenz, Tassia Christodoulopoulou. Ihre Tochter gab freimütig zu, dass sie ihre "Verbindungen" ausgenützt habe, um im Parlament arbeiten zu können. Nun kündigte Christodoulopoulou an, für die Wahl am 7. Juli nicht mehr zu kandidieren.

Eigentlich war die Syriza, als sie 2012 gebildet wurde, damit angetreten, einen Politikwechsel herbeizuführen, eine Katharsis, wo diese alten Praktiken nicht mehr vorkommen, moniert der Politikwissenschafter Dimitris Katsikas. Doch offensichtlich ist die Syriza mittlerweile auch den Versuchungen der Macht erlegen.

Seit Monaten liegt ohnedies die konservative Nea Dimokratia unter Kyriakos Mitsotakis etwa zehn Prozentpunkte vor der Syriza. Die Nea Dimokratia kommt derzeit etwa auf 38 Prozent, Syriza auf 28 und die Kinal auf 7,3.

Kampf um die Mittelklasse

Katsikas meint, dass die Wahlbeteiligung entscheidend sein wird. Offen ist, wie stark sich die Tatsache, dass die Wahl in den Sommerferien stattfindet, auswirken wird. Inhaltlich geht es diesmal "um das Herz und die Seele der Mittelklasse", sagt Katsiakis. Denn diese habe unter den Sparmaßnahmen seit 2010 enorm gelitten. "Die jetzige Regierung hat diese Politik weitergeführt, entgegen den Wahlversprechen", erklärt Katsiakis die Unzufriedenheit. Angehoben wurden nicht nur die Steuern, sondern auch die Sozialversicherungsbeiträge.

Deshalb geht die Nea Dimoktratia (ND) auch mit dem Versprechen in die Wahl, die Steuern zu senken und die Verwaltung abzubauen. Laut dem Politologen Nikos Marantzidis haben sich die meisten Griechen bereits entschieden, wem sie am 7. Juli ihre Stimme geben werden. Nur 15 Prozent der Wähler wägen noch ab. Die Wahlkampagne laufe bisher klassisch nach Links-rechts-Schemata ab, sagt Marantzidis. Die ND setzt auf Wirtschaft und starke nationalistische Gefühle. Syriza wiederum setzt sich dafür ein, dass die untersten Einkommen angehoben und die öffentlich Bediensteten bessergestellt werden – also klassische sozialdemokratische Werte.

Am wahrscheinlichsten sei, dass die ND nach der Wahl eine Koalition mit der "Bewegung für den Wandel" (Kinal) eingehen wird, meint der Wissenschafter. Doch Marantzidis räumt ein, dass die letzten Signale der Kinal eher linksgerichtet seien. Klar ist, dass die ND eine Koalitionspartei brauchen wird, um eine Regierung zu bilden.

Nordmazedonien als Thema

Kinal wurde 2017 von der ehemaligen Chefin der sozialistischen Pasok, Fofi Gennimata, ins Leben gerufen. Einige andere Mitte-links-Gruppierungen schlossen sich an. Seit 2018 führt Gennimata die Partei an. Zum Parteirat gehört auch der frühere Premierminister Giorgos Papandreou von der Pasok.

Die vorgezogene Wahl – eigentlich hätte sie erst im Herbst stattfinden sollen – ist auch außenpolitisch bedeutsam. Denn offen ist, wie sich eine von der Nea Dimokratia geführte Regierung in Zukunft gegenüber Nordmazedonien verhalten wird. Die ND war gegen das historische Namensabkommen, das es nun ermöglicht, dass Nordmazedonien einen international anerkannten Staatsnamen hat und dass es der Nato beitreten und Beitrittsgespräche mit der EU aufnehmen kann.

In Nordmazedonien besteht die große Sorge, dass die konservative Regierung in Athen wieder zu dem alten Blockadeverhalten zurückkehren könnte. Damit könnte Athen jeden Schritt des Nachbarn Richtung EU mit einem Veto verhindern. Politologe Katsikas, der auch an der Universität in Athen lehrt, glaubt aber, dass das Abkommen mit Nordmazedonien halten wird, die Umsetzung von der neuen Regierung in Griechenland aber genauer beobachtet werden wird als unter Syriza. (Adelheid Wölfl, 24.6.2019)