Herkunftsmäßig gibt sich der Wiener Yung Hurn wenig bedeckt: "1220" trägt er nicht nur um den Hals, er hat sich die Postleitzahl seines Heimatbezirks Donaustadt auch auf den Bauch tätowieren lassen.

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Mit seinem Auftritt am Donauinselfest lockte der erfolgreiche Musiker sogar zu viel Publikum an.

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Für Yung Hurn war es gewissermaßen ein Heimspiel. Okay, er musste sich ein wenig flussaufwärts begeben, entlang des feindlichen Floridsdorf, aber großzügig betrachtet ist das seine Hood. Als Yung Hurn am Samstag beim Donauinselfest die FM4-Bühne betrat, kamen die Massen mit ihm. Der Andrang war so groß, dass der Zugang zeitweise gesperrt werden musste.

Yung Hurn ist der Star und das Enigma der heimischen Hip-Hop-Szene. Wenn’s wahr ist, heißt er eigentlich Julian Sellmeister und wurde, je nach Quelle, 1994 oder 1995 geboren. Herkunftsmäßig gibt sich der Wiener weniger bedeckt. "1220" ist auf seinen Bauch tätowiert, das ist die Postleitzahl seines Heimatbezirks Donaustadt. Yung Hurns im Vorjahr erschienenes Debütalbum trägt dieselbe Zahl als Titel.

Live From Earth

Sein Fach ist der Cloud-Rap. Das ist eine Hip-Hop-Spielart, die mit billigen Produktionsmitteln Tracks baut und sie ins Netz stellt. Was gut ist, wird sich durchsetzen, was nicht, nicht. Youtube ist der Distributor, das Smartphone das Empfangsgerät der Kundschaft.

Zu laschen Beats und Auto-Tune-Gesäusel verfasst Yung Hurn seine Ein- und Mehrzeiler. Texte ist so ein großes Wort. Gedichtet wird am Smartphone, was nicht pfeift, wird gelöscht. Ohne Filter geht es um die Freuden des Shoppens, des Puderns oder des Tankens durchs Nasenloch: Wiener Linien, Sie verstehen. Das empört die Empörten, das freut die Coolen, das kapieren die halbwegs Eingeweihten.

Höheres Geschwurbel

Wobei Yung Hurn die klassische Aufmerksamkeitsarbeit gekonnt unterläuft. Interviews gibt er nur Witzheftln oder TV-Sendern. Da funktioniert die Kunstfigur als ständig mit einem Bein im selbst herbeigeführten Wachkoma stehender Rapper. Da muss er sich nicht erklären. Da kommt seine im Dadaismus wurzelnde Kunst als höheres Geschwurbel wie von selbst rüber.

Live From Earth

Anhängern des klassischen Hip-Hop sowie selbsternannten Verfechtern der Moral ist er ein Gräuel. Dabei ist er richtig lustig – wenn man Humor hat. Ansonsten gilt: Viel Feind, viel Ehr’. Deshalb hoffte er bei seinem Auftritt am Donauinselfest, dass im Publikum Leute wären, die ihn hassen. Für sie gab es eine Beschimpfung gratis. Alle anderen frohlockten.

Nach seinem Auftritt ist er angeblich in die Neue Donau geköpfelt und ohne ein weiteres Mal Luft zu holen nach Hause getaucht. Vielleicht ist das aber auch nicht wahr. Ein rätselhafter Typ, dieser Yung Hurn. (Karl Fluch, 23.6.2019)