In Deutschland gibt es einen Mann, der dieser Tage stets zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist. Für den deutschen Grünen Robert Habeck kommt die Möglichkeit in Reichweite, Deutschlands erster Kanzler der Generation Bobo zu werden – und seine Partei wird in verschiedenen Umfragen der letzten Zeit immer wieder als potenziell stärkste Kraft im Land genannt. Auch wenn eine aktuelle Umfrage die CDU wieder ganz knapp vorn sieht, spricht vieles dafür, dass die Grünen in Deutschland auf ihrem mäandernden Marsch durch die Institutionen bald ganz oben ankommen könnten – im Kanzleramt nämlich.

Neben den inzwischen zu ihrem Glück omnipräsenten Themen Klima und Umweltschutz – aktuell machen Proteste gegen Braunkohleförderung Schlagzeilen – sowie dem Zustand der schwachbrüstigen traditionellen Volksparteien verdanken die Grünen ihren Höhenflug vor allem jenem Mann, der derzeit die Deutschen bezirzt wie kein anderer Politiker. Robert Habeck ist charismatisch, wirkt aber so normal, dass es schon wieder auffällt – das Haar strubbelig, der Habitus unbekümmert, die Botschaft: Wir schaffen das, aber anders. Im Vergleich zum federnd schreitenden, Podcast hörenden Nachtzugfahrer und Familienvater Habeck erscheinen die alten grünen Alphamännchen Marke Toskana-Fraktion wie seltsam aus der Zeit gefallen. Genau wie die Konkurrenz.

Schöner, frischer, unverbrauchter

In Habeck haben die so lange als weltfremde Ökofuzzis verschrienen Grünen einen breitenwirksamen Frontmann, der die in Deutschland so bedeutsame K-Frage schlüssiger zu beantworten weiß als Annegret Kramp-Karrenbauer und jeder mögliche SPD-Kandidat zusammen – und dabei schöner, frischer und unverbrauchter klingt. Früher schrieb Habeck Kinderbücher, Krimis, Romane – querbeet und gar nicht mal erfolglos. Man merkt es ihm bis heute an: Habeck ist ein begnadeter Geschichtenerzähler, einer, der erklärt, ohne zu belehren, einer, der das Klima schützen will, ohne das dröge Klimbim der umweltbewegten Altvorderen zu zitieren. Einer also, der nicht alles anders, aber vieles besser machen will.

Dabei ist der Mann aus dem hohen Norden Deutschlands keineswegs ein Politneuling. Habeck, auch das gehört zu seinem Zauber, weiß, wie Regieren geht. Und er versteht, dass der Weg nach ganz oben eine Ochsentour ist, auch und gerade als Grüner. Er macht anders als Emmanuel Macron aber nicht etwa auf egogeschwängerte Ich-AG, gründet keine neue Bewegung, sondern steht einer mittlerweile vollends etablierten Partei vor, die so gar nicht für ihre überbordende Harmoniesucht bekannt ist. Und er hat dort bewiesen, dass er ideologisch flexibel ist, solange er seine Kernanliegen umsetzen kann.

Ob SPD-geführte Ampel- oder Jamaika-Koalition samt CDU, in Schleswig-Holstein wusste Habeck genau, wie er als Energieminister wann, wo und mit wem zusammenarbeitet. Und wann Schluss damit ist. Die deutschen Wähler, ohnehin in langen Merkel-Jahren an eine de facto schwarz-grüne Politik gewöhnt, dürften derlei neue Optionsvielfalt zu schätzen wissen. Und mittelfristig wird sich abseits der Grünen im Bundestag ohnehin keine Koalition mehr zimmern lassen. Warum also die Grünen nicht gleich zum Schmied machen anstatt bloß zum Schmiedl? Dem Land würde es guttun.

Es scheint, als hätte Robert Habeck den Deutschen die Angst vor den Grünen genommen. Sie sind zu beneiden. (Florian Niederndorfer, 23.6.2019)