Seit Jahren fehle es in der Justiz an Geld. Es falle schwer, das Qualitätsniveau zu halten, sagt Jabloner.

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STANDARD: Es gab Stimmen, die meinten: Diese Übergangsregierung ist toll, sie sollte gleich länger im Amt bleiben. Gute Idee?

Jabloner: Das ist freundlich, wäre aber demokratiepolitisch sehr bedenklich. So eine Regierung ist gut für ein paar Monate. Es ist eine Art Trockendock ohne die übliche Aufregung und Beschleunigung, aber man kann die Zeit positiv nützen. Doch in einer Demokratie muss man auch Wertentscheidungen treffen: In welche Richtung gehen etwa Steuerpolitik, Sozialversicherung? Das muss parlamentarisch demokratisch legitimiert sein, und dafür braucht es politische Parteien und Mehrheitsbildungen. Die Übergangsregierung hat trotzdem eine gute Wirkung, weil die Innenpolitik in den Wochen vor Ibiza in eine enorme Beschleunigung geraten ist, das hat sich durch die Videos förmlich entladen. Jetzt sind alle erschöpft und froh, dass wieder eine Art Normalbetrieb einkehrt – aber die Ruhe ist kein Dauerzustand.

STANDARD: Könnten Sie dieses Trockendock nicht nutzen, Schritte zu setzen, die in aufgeregteren Zeiten unmöglich wären?

Jabloner: Solche Schritte sind meistens damit verbunden, dass man Geld braucht. Wir arbeiten mit einem vorgegebenen Budget. Daher ist das schwer von so einer Regierung durchzuführen.

STANDARD: Sie könnten in Ihrer Rhetorik Akzente setzen.

Jabloner: Das werde ich versuchen, damit meine Nachfolgerin oder mein Nachfolger stark in Verhandlungen gehen kann. Ich werde auf strukturelle Probleme hinweisen. Denn ich stelle schon fest: Das Justizressort ist seit einigen Jahren unterbudgetiert, was die Erfüllung der Standardaufgaben gefährdet. Ich will Bewusstsein schaffen, dass die Gerichtsbarkeit mehr Support benötigt. An Gerichten fehlen Kanzleikräfte, wir sind nicht mehr konkurrenzfähig, nicht einmal innerhalb des öffentlichen Dienstes, gut ausgebildete Kanzleikräfte wandern in andere Ressorts ab. Das ist kein Zustand. Wir versuchen, mehr EDV einzusetzen, aber auch das verlangt mehr Geld. Das alles brauchen wir, um einfach nur das Leistungsniveau halten zu können.

STANDARD: Sie haben der überlasteten Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) Hilfe versprochen. Was konkret?

Jabloner: Ich habe generell von einer sehr hohen Belastung der Staatsanwaltschaften überhaupt gesprochen, und aktuell habe ich Verständnis für die besondere Drucksituation der WKStA. Wir werden dort eine zusätzliche qualifizierte Stelle zur Verfügung stellen. Ich hoffe, dass die Sache damit rasch vorankommt.

STANDARD: In der BVT-Causa gab es einige Auffälligkeiten: Der höchste Beamte des Innenministeriums marschiert direkt zur Staatsanwältin, übergibt ihr ein Paket mit anonymen Vorwürfen gegen BVT-Beamte, liefert ihr die passenden Zeugen dazu, dann gibt es eine Razzia, bei der massenweise Daten beschlagnahmt werden, die gar nichts mit dem Fall zu tun haben. Und heute wissen wir: Der Schaden im BVT ist enorm, die Vorwürfe gegen die Beamten hingegen haben sich großteils in Luft aufgelöst. Hat sich die WKStA von einem hochmotivierten Innenminister instrumentalisieren lassen?

Jabloner: Das ist eine interessante Narration, die Sie hier vornehmen, die ich so nicht kommentieren möchte. Die BVT-Geschichte war kein Ruhmesblatt für die gesamte Vollziehung. Sie hat zu einer Destabilisierung geführt, was ich sehr bedauerlich finde. Ich glaube aber, dass der Rechtsstaat in Österreich stark genug ist, um das verarbeiten zu können. Meines Erachtens soll eine solche Kombination von Handlungen und Unterlassungen nicht wieder passieren. Ich halte mich aber fern von Schuldzuweisungen an konkrete Personen. Die Vorgangsweise des Innenministeriums hat ja für sich selbst gesprochen. Dass die Hausdurchsuchung rechtswidrig war, ist festgestellt worden. Dass die richterliche Genehmigung dafür etwas überraschend war, kann man auch sagen. Also insgesamt etwas, was im Sicherheits- und Justizbereich nicht passieren sollte. Aber es ist passiert. Und nun müssen wir schauen, dass es nicht wieder passiert.

STANDARD: Wie?

Jabloner: Indem alle Stellen ihre Aufgaben etwas genauer nehmen.

STANDARD: Der Schaden im BVT hat auch Folgen für die Justiz. Wenn die Verfassungsschützer aus dem Ausland weniger Daten über grenzüberschreitende Neonazi-Netzwerke erhalten, dann schwächt das auch die Staatsanwälte, die diese Netzwerke in Österreich verfolgen.

Jabloner: Sicherheit ist eine Sache des Innenministeriums, und ich denke, dass der neue Minister Vorkehrungen treffen wird. Was die Staatsanwälte machen können, ist, dass sie allen Verdachtsmomenten nachgehen und ermitteln. Das erfolgt auch.

STANDARD: Im Konflikt zwischen WKStA und Sektionschef Christian Pilnacek haben Sie einen neuen Gesprächsstil und klarere Weisungen angeordnet. Aber reicht das, um die Risse zu kitten?

Jabloner: Ich kann keine Schuldfrage klären. Sonst müsste ich mich in womöglich jahrzehntelang aufgestaute Probleme vertiefen, die kann ich jetzt nicht lösen. Ich nehme aber wahr, dass die Weisungserteilung nicht so ist wie im Gesetz intendiert. Was ich einmahne, ist mehr Formalismus und Distanz. Die Beteiligten haben mein Vertrauen. Ich denke, wenn diese meinen Standpunkt einnehmen und überlegen, was ich als Minister machen kann, dann werden sie einsehen, dass ich nur so vorgehen kann, wie ich jetzt vorgehe. Nun sollte allseits Vernunft einkehren.

STANDARD: Häftlinge leiden unter langem Einschluss und fehlenden Beschäftigungsmöglichkeiten.

Jabloner: Ja, diese Probleme finde ich vor und versuche sie zu bearbeiten. Das ist aber das Ergebnis externer Faktoren und einer langjährigen Budgetpolitik.

STANDARD: Ungelöst ist das Problem der Unterbringung psychisch kranker Häftlinge. Der Reformentwurf ist fertig, was passiert damit?

Jabloner: Wir hätten mit dem Entwurf eine gute Grundlage, aber wir können nicht einmal in Begutachtung gehen, weil die Realisierung mit Mehrkosten verbunden ist. Die Einbringung bleibt meiner Nachfolgerin oder meinem Nachfolger überlassen. Unabhängig davon haben wir aufgrund des hohen Belages, rund 1000 Personen, unmittelbaren Handlungsbedarf. Wir schaffen zusätzliche Kapazitäten für den Maßnahmenvollzug durch Umschichtungen. Das zählt zu den ersten Dingen, die ich in Angriff genommen habe.

STANDARD: Im Asylrecht wurde die unabhängige Rechtsberatung abgeschafft. Sie kritisierten das, müssen es nun aber umsetzen.

Jabloner: Was ich von dieser Regelung halte, ist bekannt: Ich bin von ihr nicht angetan. Aber sie ist vom Nationalrat beschlossen und daher zu vollziehen. Eine weitere Problematik im Asylbereich ist, dass das Bundesverwaltungsgericht überlastet ist, dass es zu viele offene Verfahren gibt – das ist ein echtes, schweres Problem, aber auch das lässt sich nur mit zusätzlichen Budgetmitteln lösen. (Maria Sterkl, 24.6.2019)