Meizu ist nicht unbedingt der bekannteste Name, wenn man an chinesische Smartphonehersteller denkt. Dabei galt das Unternehmen aus Zhuhai – gegenüber dem Tech-Mekka Shenzhen in der Bucht zwischen Macao und Hongkong – lange als aufstrebender Neuling. Doch während Xiaomi, das zur selben Zeit groß wurde, den Durchbruch schaffte, erging es Meizu ähnlich wie HTC. Den ersten Generationen an sehr guten Handys folgten Smartphones, die in verschiedener Hinsicht enttäuschten. Dazu gesellten sich Fehlentscheidungen des Managements – und so blieb die internationale Expansion weitgehend stecken.

Nach Jahren der Konzentration auf den Heimatmarkt probiert man es seit 2018 nun wieder. Das letztjährige Flaggschiff, Meizu 16, stieß auf größtenteils positives Echo. Jetzt legt man den Nachfolger, das Meizu 16s, nach. Es fährt Highend-Hardware auf und könnte zum Preis von umgerechnet etwa 370 Euro Schnäppchenpotenzial bieten. Grund genug, den Underdog einem Test zu unterziehen.

Foto: DER STANDARD/Pichler
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Basics und Design

Was auf den ersten Blick auffällt: Meizu setzt auf eine recht eigenständige Designsprache. Das Handy, das uns in der weißen Version zugeschickt wurde, verzichtet auf Notch oder Popup-Kamera, sondern bringt dünne Ränder nebst integrierter Frontkamera mit. Sucht man ein bekanntes Gerät, das ihm ähnlich sieht, wird man am ehesten beim Galaxy S8 und S9 fündig. Das gilt allerdings nur für die Frontseite. Auf der Rückseite sitzt oben links ein etwas herausstehendes Dualcam-Modul und darunter der – für Meizu typische – runde LED-Blitz, der übrigens eine hervorragende Taschenlampe abgibt. Insgesamt liefert das Handy jedenfalls ein (subjektiv) sehr hübsches Gesamtbild.

Verarbeitet ist das Telefon gut. Das 6,2-Zoll-Display nimmt rund 87 Prozent der Front ein. Auf gebogene Kanten verzichtet man. Auf der rechten Seite sitzen, gut erreichbar, Lautstärkewippe sowie Ein/Aus-Schalter. Auf der Unterseite finden sich ein Lautsprecher, der USB-C-Port sowie der SIM-Einschub. Der Fingerabdruckscanner ist unter dem Display verbaut. Insgesamt misst das Handy 151,9 x 73,4 x 7,6 Millimeter bei 165 Gramm Gewicht.

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Zurück zum Bildschirm: Verbaut ist ein AMOLED-Panel, entsprechend kräftig sind Farben und Kontraste. Auch die Helligkeit fällt hoch genug aus, um selbst im Freien unter der Sommersonne noch Inhalte gut erkennen zu können. Die Auflösung liegt bei 2.232 x 1.080 Pixel, vulgo "Full HD+".

Bei der Basis-Hardware setzt man auf den State-of-the-Art. Für ausreichende Leistung soll Qualcomms Snapdragon 855 sorgen, der je nach Modell mit sechs bis acht GB RAM gekoppelt ist. Dazu gibt es 128 oder 256 GB an nicht erweiterbarem Onboardspeicher. Beim Testgerät handelt es sich um die Variante mit sechs GB RAM und 128 GB Speicher.

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Performance

Und die zeigt auch die zu erwartenden Benchmarkergebnisse. Etwa 330.000 bis 340.000 schafft das Meizu 16s im Allroundtest mit Antutu. Damit liegt es zwar klar unter Optimierungswundern wie dem OnePlus 7 Pro, aber immer noch auf dem Level des Samsung Galaxy S10. Im 3D-Benchmark mit 3DMark zeigt sich das gleiche Bild. Auch hier befindet man sich auf Augenhöhe mit Samsungs aktuellem Flaggschiff.

Die Leistung setzt man dann auch im Alltag um. Multitasking, anspruchvolle Apps und grafikintensive Games stellen kein Problem dar. Letztere sorgen allerdings für eine spürbare Erwärmung. Zumindest in den Benchmarks blieb der CPU-Takt aber dennoch stabil.

Die restliche Ausstattung spielt auch vorne mit. Das Handy beherrscht 3G und LTE, wobei die international verkaufte "globale" Version auch die in Europa wichtigen Bänder 3, 7 und 20 unterstützt. Es können zwei nanoSIM-Karten genutzt werden. Dazu kommen Bluetooth 5.0 und NFC. Zur Datenübertragung und Aufladung via Kabel dient ein USB-C-Port (USB 2.0). Ausgespart wurde im Vergleich zum Vorgänger der 3,5mm-Klinkenstecker dafür ist der Akku von 3.010 auf 3.600 mAh vergrößert worden. Er ist schnellladetauglich, Wireless Charging gibt es aber nicht.

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Zur Entsperrung gibt es eine kamerabasierte Gesichtserkennung und den bereits erwähnten Fingerabdruckscanner im Display. Der zeigt sich gelegentlich störrisch (verwendete Finger zwei Mal registrieren hilft), ist aber deutlich zuverlässiger und schneller, als jener, der im Vorjahr zum Einsatz gekommen ist.

Software

Vorinstalliert ist Android 9.0 in Meizus eigener Geschmacksvariante "Flyme 7.2". Diese integriert nicht nur eigene Cloudservices und einen Appstore des Herstellers – ersteres kann man vernachlässigen, zweiteres bis auf die Updates für vorinstallierte Apps auch -, sondern ist auch recht offensichtlich Apples iOS nachempfunden. Dementsprechend gibt es keinen Appdrawer, alle installierten Programme werden über die Startbildschirme verteilt. Etwas Linderung verschafft nur der Schnellzugang zu einer alphabetischen Liste per Wischgeste am rechten Bildschirmrand.

Ein Manko, das sich aber recht einfach mit der Installation eines alternativen Launchers aus dem Google Play Store beheben lässt. Das Einstellungsmenü ist in seiner Anordnung nicht immer ganz nachvollziehbar. Praktischerweise gibt es aber eine Suchfunktion, mit der sich gesuchte Settings flott aufspüren lassen.

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Sorge bereitet hingegen der zu erwartende Softwaresupport für das Meizu 16s. Beim Vorgänger schob man ein halbes Jahr nach der Vorstellung im Dezember 2018 ein Update mit wenigen Bugfixes und Sicherheitspatch von Oktober nach, ehe im April schließlich ein Versionssprung von Flyme 7.1 auf 7.3 (nach wie vor auf Basis von Android 8.1) mitsamt mehrerer neuer Features wie dem Nachtmodus und Patchlevel März erfolgte. Die weitere Versorgung ist unklar, wenngleich Meizu Besserung für seine internationalen Geräte versprochen hat.

Das Meizu 16s ist ab Werk paradoxerweise mit einer älteren Version (7.2) und Sicherheitspatch von Februar bespielt. Immerhin, es soll irgendwann Flyme 8 und damit potenziell auch Android 10 bekommen. Das Nachziehen eines Gerätes auf eine neue Android-Version wäre für den Hersteller tatsächlich ein Fortschritt in der Updatepolitik. Bisher wurden globale Modelle im Vergleich zu ihren Pendants für den chinesischen Markt sehr stiefmütterlich behandelt.

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Kamera

Zurück zur Hardware: Auch Meizu ist bei der Präsentation seines Handys nicht umher gekommen, seine Kamera besonders hervor zu heben. Zum Einsatz kommt ein duales Modul mit zwei Sony-Chips. Einerseits dem mit 48 MP operierenden IMX586, der mittlerweile in einer ganzen Batterie an Highend-Handys steckt, sowie der IMX350 mit 20 MP als Telefoto-Lösung. Wie schon der Vorgänger sollen diese bis zu dreifachen Zoom bieten.

Qualitativ liefern dieses Setup sehr gute Bilder. Die Farben fallen kräftig, aber nicht unnatürlich aus. Es sei denn, man schaltet optional die integrierte KI hinzu, die es hinsichtlich der nachträglichen Optimierung vor allem bei Landschaftsaufnahmen mit der Sättigung mitunter etwas übertreibt. Grundsätzlich spielt die Kamera unter den meisten Bedingungen durchaus auf dem Niveau von Samsung, OnePlus oder Huawei. Einzig die Erhaltung kleinerer Details in größerer Entfernung sowie gelegentliche Fokusprobleme bei Nahaufnahmen sind Schwachpunkte.

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Nicht ganz ebenbürtig ist man auch bei der Abend- und Nachtfotografie. Auch hier sehen die Fotos nicht schlecht aus, aber eben nicht ganz so gut wie bei der erwähnten Konkurrenz. Das gilt auch für den dezidierten Nachtmodus. Der bringt mehr Licht ins Dunkle, was an sich selbst im Vergleich mit Googles Night Sight ordentlich funktioniert, jedoch fallen die Resultate häufig klar unschärfer aus. Seine Stärken spielt der Nachtmodus vor allem aus, wenn es nicht zu viele Lichtquellen gibt. Straßenaufnahmen mit vielen Laternen, Auslagen und Neonleuchten scheinen die Software etwas zu überfordern.

Wenig Grund zur Beschwerde gibt die Frontkamera. Der 20-MP-Sensor von Samsung erfüllt seinen Zweck sehr gut, wenn auch mit etwas blasserer Farbdarstellung als die Hauptkamera.

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Sound und Akku

Loben darf man das Handy für seine akustischen Eigenschaften. Denn es gibt eine für ein Handy wirklich gut klingende und recht laute Stereowiedergabe über den Ohrhörer und den auf der Unterseite liegenden Lautsprecher. Bei der Gesprächsqualität liefert das Handy immerhin ein durchschnittliches Resultat. Die Unterdrückung von Umgebungslärm klappt ordentlich, allerdings sorgt sie auch dafür, dass die eigene Stimme etwas verzerrt klingt. Das Gegenüber kommt wiederum etwas gedämpft und verrauscht, aber prinzipiell gut verständlich an.

Womit zu guter Letzt noch eine Evaluierung der Akkulaufzeit bleibt. Voll aufgeladen kommt man gut über den Tag und hat dann noch Reserven – spätestens im Laufe des folgenden Nachmittags ruft dann aber wieder die Steckdose. Bei Intensivnutzern eher schon am Vormittag. Das mitgelieferte Ladegerät liefert via "mCharge" bis zu 24 Watt an Leistung. Im Test gelang eine Aufladung von 0 auf 53 Prozent binnen 30 Minuten.

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Fazit

Das Meizu 16s ist eine spannende Alternative zu gängigen Flaggschiffen, die vieles richtig macht. Die Hardware bietet ein starkes Paket, abseits vom manchmal widerborstigen Fingerabdruckscanner und der fehlenden Kopfhörerklinke leistet man sich keine Patzer. Stark performt auch die Kamera, was einen deutlichen Fortschritt zum Vorgängermodell bedeutet, bei dem die Resultate oft sehr situationsabhängig waren. Während die Akkulaufzeit durchschnittlich ausfällt, kann das Handy auch akustisch überzeugen.

Für wenig Begeisterung sorgt die vorinstallierte Androidversion, die im Prinzip ein iOS-Imitat ist. Keine von Meizus eigenen Apps zeichnet sich mit einem erkennbaren Mehrwert zu Alternativen von Google und Co. aus. Wer Komfortfeatures wie einen Appdrawer möchte, sollte dringend zu einem alternativen Launcher greifen. Ebenfalls Sorge bereitet der Softwaresupport, der nach wie vor keine Stärke von Meizu darstellt. Updates für das Meizu 16s sind zwar versprochen, doch wann sie kommen und wie aktuell ihr Sicherheitspatchlevel sein wird, bleibt abzuwarten.

Wer mit "China-Handys" vertraut ist, kann das Meizu 16s durchaus in die engere Wahl nehmen, Zu beachten ist allerdings, dass bei einer Bestellung direkt beim Hersteller über Aliexpress Einfuhrumsatzsteuern anfallen und der Realpreis des Telefons also letztlich um die 500 Euro liegen wird. Hier könnte es sich lohnen, Ausschau nach Importhändlern zu halten, die das Gerät vielleicht für weniger Geld aus Lagern in der EU liefern können. (Georg Pichler, 03.07.2019)

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