Hormonelle Umstellungen während der Menopause haben auch Auswirkungen auf das Gehirn. Vor allem bei Übergewicht scheinen sie auch Auswirkugen aufs Gehirn zu haben.

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In der Lebensmitte strukturieren sich Körperfunktionen um. Eine entscheidende Rolle dabei spielen Hormone. Die deutschen Forscherinnen Julia Sacher und Rahel Zsido vom max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften wollten die Frage klären, inwieweit das Hormon Östradiol für das emotionale und kognitive Wohlbefinden verantwortlich ist.

Aktuelle Forschung deutet darauf hin, dass vermehrtes viszerales Fett – das ist Körperfett, das eine Reihe wichtiger innerer Organe wie Leber, Bauchspeicheldrüse und Darm umgibt – das Risiko für kognitive Beeinträchtigungen im späteren Lebensalter birgt. "Unser Ziel war es, zu untersuchen, ob überschüssiges Organfett mit einer Verringerung der strukturellen Netzwerke sowie der Speicherleistung unseres Gehirns über die gesamte Lebensdauer verbunden ist. Wir wollten auch herausfinden, ob dieses Wechselspiel durch Östradiol beeinflusst werden kann.", sagt Studienautorin Rachel Zsido.

Was Östradiol kann

Östradiol ist ein aus Cholesterin bestehendes Hormon und das stärkste der drei natürlich produzierten Östrogene. Es ist das wichtigste Hormon im weiblichen Körper und hat viele erstaunliche Funktionen – vor allem aber trägt es entscheidend zur Erhaltung des weiblichen Fortpflanzungssystems bei. Auch Männer produzieren Östradiol, allerdings in viel geringeren Mengen. Bei beiden Geschlechtern wird Östradiol zusätzlich durch Fettgewebe, das Gehirn und in den Wänden der Blutgefäße produziert. Außerdem wirkt es gefäßerweiternd und antioxidativ. So kann Östradiol helfen, die Myelinarchitektur zu erhalten – und damit die Membran, die unsere Nerven schützt.

Obwohl viszerales Fett und Östradiol offenbar gegensätzliche Rollen im Zusammenhang mit dem gesunden Alterungsprozess des Gehirns spielen, blieb bisher unklar, wie und zu welchem Zeitpunkt sie die Gehirnstruktur wechselseitig beeinflussen.

Um dieses Rätsel zu lösen, haben Zsido und ihre Kollegen einen großen Datensatz gesunder Erwachsener im Alter zwischen 20 und 80 Jahren, 501 Männer und 473 Frauen, aus der LIFE-Studie genauer untersucht. "Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass vermehrtes Organfett den negativen Einfluss des Alterns auf Hirnnetzwerke bei Männern und Frauen verstärkt. Wir haben außerdem festgestellt, dass Männer dieses Organfett früher ansetzen, während Frauen vor allem in der Lebensmitte davon betroffen sind", erklärt die Zsido.

Hormone und Demenz

"Durch die Abnahme von Östradiol in dieser mittleren Lebensphase wird der normale Alterungsprozess beschleunigt. Es scheint aber so, als würde Östradiol das Gehirn von Frauen während der Lebensmitte vor strukturellen Schäden an der Grauen Substanz schützen", ergänzt Julia Sacher, die mit ihrer Forschungsgruppe untersucht, wie sich hormonelle Veränderungen auf Stimmung, emotionales Wohlbefinden und Kognition auswirken.

Sie untersuchte eine Untergruppe von Frauen im Alter von 35 bis 55 Jahren stellte fest, dass ein niedriger Östradiolwert mit einer schwächeren Gedächtnisleistung während der Mitte des Lebens einhergeht. Das ist auch der Altersbereich, in dem der Übergang in die Menopause stattfindet, die anfangs durch abrupte Östradiolschwankungen und schlussendlich durch den Stopp der Fortpflanzungsphase gekennzeichnet ist. "Unserer Meinung nach bietet die Phase vor der Menopause daher ein wichtiges Zeitfenster, um eine beschleunigte Alterung des Gehirns und damit die Entwicklung neurodegenerativer Krankheiten wie Demenz oder Depression bei Frauen zu verhindern", so Sacher.

Testosteron ist auch beteiligt

Eine zweite gemeinsame Studie unter der Leitung von Julia Sacher und Steffi Riedel-Heller vom Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP) zeigte zudem eine entscheidende Interaktion zwischen ungünstigen Stoffwechselzuständen und einem anderen wichtigen Sexualhormon, dem Testosteron. Das Team fand heraus, dass erhöhte Testosteronwerte und Veränderungen im Körpergewicht die Anfälligkeit für Depressionen bei Frauen vor und nach dem Übergang in die Menopause unterschiedlich beeinflussen.

"Zusammen betonen die Ergebnisse aus beiden Studien die Notwendigkeit, geschlechtsspezifische Unterschiede und Sexualhormone noch mehr zu berücksichtigen, wenn wir das Risiko für neurodegenerative Krankheiten untersuchen", fasst Julia Sacher zusammen. Wichtig sei dies insbesondere in der Lebensmitte, da diese Übergangsphase für Frauen eine besondere Chance zur Prävention biete. (red, 24.6.2019)