Die "Interventionen" von Kickls Generalsekretär Peter Goldgruber und dessen Mitarbeiter Udo Lett hätten "durchaus Einfluss auf das Ermittlungsverfahren genommen", heißt es im vorläufigen Abschlussbericht des BVT-Verfahrensrichters.

Foto: Standard/Cremer

Der BVT-Untersuchungsausschuss hat den Anfang seines Endes eingeleitet. Nachdem die Zeugenbefragungen neuwahlbedingt Anfang Juni beendet wurden, hat der Verfahrensrichter Eduard Strauss mit seinem Team nun einen ersten Entwurf des Abschlussberichts verfasst. Dieser wurde am Wochenende an die Parlamentsfraktionen versandt, er liegt dem STANDARD vor. Strauss äußert darin drastische Kritik an der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) und dem damals von Herbert Kickl (FPÖ) geführten Innenministerium, während er die Vorwürfe gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) überwiegend entkräftet sieht.

In den Vorbereitungen zur berüchtigten Razzia im BVT, die Ende Februar 2018 stattfand, erkennt Strauss anhand der Zeugenbefragungen und Akten eine Beeinflussung der für die Ermittlungen zuständigen WKStA durch das Innenministerium. Es könne "nicht von der Hand gewiesen werden, dass die Spitze des Innenministeriums versuchte, das Verfahren zu beeinflussen", heißt es im Bericht. Die "Interventionen" von Kickls Generalsekretär Peter Goldgruber und dessen Mitarbeiter Udo Lett hätten "durchaus Einfluss auf das Ermittlungsverfahren genommen".

Aussagen von Kickl und WKStA-Chefin "infrage zu stellen"

Mit der WKStA und der fallführenden Staatsanwältin Ursula Schmudermayer geht Strauss hart ins Gericht. Es habe "erhebliche Mängel in der Planung der Hausdurchsuchung" gegeben, unmittelbar mitverantwortlich dafür gewesen seien auch "Schmudermayers Gruppenleiter Wolfgang Handler sowie ihre Behördenleiterin Ilse Vrabl-Sanda".

Warum das Büro der Extremismus-Referatsleiterin Sibylle G. so intensiv durchsucht wurde, konnte für Strauss "bis zum Ende der Befragungen nicht nachvollzogen werden". Er bezichtigt auch Kickl und Vrabl-Sanda der Falschinformation: So teilte Kickl in einer Aussendung mit, dass Polizisten keinen Zugriff auf sensible Daten gehabt hätten. Ähnliches schrieb Vrabl-Sanda an den damaligen Justizgeneralsekretär Christian Pilnacek. "Die Aussagen von Kickl und Vrabl-Sanda sind sohin aufgrund der festgestellten Ergebnisse zumindest infrage zu stellen", schließt Strauss.

Allerdings konnte laut Strauss "nicht belegt werden", dass Beamte der für die Razzia ausgewählten Polizeieinheit EGS Daten mitgenommen hätten. Ebenso wurde der Vorwurf "nicht erhärtet", dass die EGS wegen ihrer FPÖ-Nähe für die Hausdurchsuchung herangezogen wurde. Allerdings ist für Strauss klar, dass Goldgruber – der viele Erinnerungslücken aufwies – den BVT-Direktor Peter Gridling nach den Einsatzorten verdeckter Ermittler gefragt habe.

"Massiver Vertrauensverlust" bei Partnerdiensten

Die Folgen der Hausdurchsuchung seien massiv gewesen, urteilt Strauss: "Einerseits herrschte ein Klima des Misstrauens innerhalb des BVT, andererseits führte die Hausdurchsuchung zu einem massiven Vertrauensverlust bei den befreundeten ausländischen Partnerdiensten."

Die Exkurse zur Tierschützer-Causa und dem Fall Maurer, bei denen politische Interventionen vermutet wurden, hätten das BVT nicht belastet, so Strauss. Man habe bezüglich der Speicherung von Daten zu Maurer und anderen einstigen ÖH-Aktivisten "Individualfehler auf Beamtenebene" entdeckt, außerdem "Unregelmäßigkeiten" bei den Tierschützern-Ermittlern, aber keine "Hinweise politischer Einflussnahme".

Auch ein "ÖVP-Netzwerk" rund um BVT und Innenministerium will Strauss in dieser Deutlichkeit nicht erkennen. Es gebe nicht "das" schwarze Netzwerk, allerdings Hinweise auf ein "Netzwerk zwischen ÖVP-nahen Personen in und um das BVT". Im Rahmen der Untersuchung sei auch der "Anschein unsachlicher Postenbesetzungen" entstanden – und zwar sowohl in der Ära schwarzer Minister als auch unter Kickl.

ÖVP-Nähe von BVT-Mitarbeitern

Strauss hebt in seinem Bericht auch noch einmal den gegen Ende des U-Ausschusses entdeckten Verein Pro Patria hervor, der aus BVT-Mitarbeitern und einer ihrer Ehefrauen besteht. "Dessen ausschließlicher Zweck bestand in der Förderung der ÖVP bei Nationalratswahlen", so Strauss. Außerdem verweist er auf mehrfache Treffen zwischen Ex-Referatsleiter Bernhard P. und "ÖVP-Mitgliedern zu Sachverhalten betreffend seine Arbeit im BVT", etwa mit dem Kurz-Vertrauten und jetzigen ÖVP-Bundesgeschäftsführer Axel Melchior oder dem einstigen Abgeordneten und jetzigen Volksanwalt Werner Amon.

Seinen vorläufigen Bericht schließt Strauss mit einer Reihe von Empfehlungen. Experten aus Justiz- und Innenministerium sollen dafür sorgen, dass die Informationssicherheit vereinheitlicht wird. Staatsanwaltschaften sollen also künftig mehr Bedacht auf die Sicherheit sichergestellter Informationen legen. Außerdem will Strauss eine Evaluierung des Rechtsschutzes und des staatsanwaltschaftlichen Berichtswesen. Ministerien empfiehlt der Bericht eine "bessere Dokumentation von Personalentscheidungen" sowie der Kommunikation von Ministerkabinetten und nachgelagerten Behörden.

Die Fraktionen haben nun eine Woche Zeit, Änderungen am Bericht vorzuschlagen. Im September gelangt der Bericht dann in den Nationalrat, damit wird der U-Ausschuss formal beendet. Dass für die Erstellung des Abschlussberichts nur eine Woche anberaumt war, stört übrigens auch Strauss – diese Frist werde den parlamentarischen Materialien nicht gerecht, heißt es. (Fabian Schmid, 24.6.2019)