Proteste gegen die klimaschädlichen Auswirkungen des Fliegens.

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Die Schulferien stehen vor der Tür, und so wie jedes Jahr werden wieder hunderttausende Österreicher mit dem Flieger in den Urlaub reisen. Passend zum Beginn der Urlaubssaison hat die österreichische Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb eine neue Debatte über das Fliegen angestoßen.

In einem Interview mit der "Krone" wurde die Wissenschafterin von der Universität für Bodenkultur in Wien gefragt, ob wir überhaupt noch fliegen dürfen. Ihre Antwort: "Man sollte es sich gut überlegen, ob es wirklich notwendig ist. Denn so wie wir unsere Eltern gefragt haben: Wie war das im Nationalsozialismus? Was hast du gewusst? Was hast du getan? Genauso werden uns einmal unsere Kinder und Enkel fragen: Wie war das beim Klima? Was hast du gewusst? Was hast du getan? Wenn ich dann antworte: Ich bin trotzdem auf Shoppingtour nach London geflogen, wäre das keine schöne Antwort."

London–Stockholm ohne Flieger

Tatsächlich hat sich die Debatte über die klimaschädlichen Auswirkungen des Fliegens zuletzt intensiviert. In Schweden ist das Wort "Flygskam" prominent geworden. Der Begriff bedeutet so viel wie Flugscham. In sozialen Medien machten Geschichten von Menschen die Runde, die alles daransetzen, nicht fliegen zu müssen – manche legen dabei selbst so respektable Strecken wie Stockholm–London zurück.

Hinzu kommt, dass im Zuge der anhaltenden Klimaproteste öfter über das Fliegen gesprochen wird. Das NGO-Netzwerk Stay Grounded bewirbt etwa aktiv den Flugverzicht und den Umstieg auf umweltfreundliche Verkehrsträger.

Doch wie schädlich ist Fliegen überhaupt? Industrievertreter betonen, dass sparsamere Jets und die Möglichkeit für Reisende, für Klimaprojekte zu spenden, die negativen Auswirkungen kompensieren können.

Viele Flüge sind unnötig, sagt Kromp-Kolb.
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NGOs dagegen kritisieren, dass eine große Zahl der Flugreisen vermieden werden könnte und Fliegen deutlich teurer werden muss. Der Städtetrip um 50 Euro in Europa sei ein Klimakiller.

Wer Informationen aus einer unabhängigen Informationsquelle sucht, wird im Europäischen Luftfahrt-Umweltbericht fündig. Der Report wird erstellt von der Europäischen Agentur für Flugsicherheit, von der Europäischen Umweltagentur und Eurocontrol, der Europäischen Organisation zur Sicherung der Luftfahrt.

Luftfahrt verantwortet 3,6 Prozent der Emissionen

Demnach ist der zivile Flugverkehr in der EU für 3,6 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Das entspricht 13,4 Prozent der Emissionen des Verkehrssektors.

3,6 Prozent klingt zunächst einmal nach nicht sehr viel. Allerdings fliegen immer mehr Menschen. Die Zahl der Flüge in der EU ist seit 2014 um 20 Prozent gestiegen, die CO2-Emissionen haben im selben Zeitraum um zehn Prozent zugelegt. Der Bericht prognostiziert eine Zunahme des Flugverkehrs um 42 Prozent bis ins Jahr 2040. "Die Umweltbelastung durch den Sektor wird daher weiter zunehmen", heißt es in dem Report.

Aber es gibt zugleich durchaus Erfolge der Luftfahrtbranche durch neue Technologien und einen effizienteren Flugbetrieb. So ist der durchschnittliche Treibstoffverbrauch pro Passagier und Kilometer seit dem Jahr 2005 um 25 Prozent gesunken.

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Die Zahl der Flüge nimmt dramatisch zu.
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Für Klimaschützer ist das alles nicht genug. Martin Cames vom Öko-Institut in Berlin ist der Meinung, dass Fliegen teurer werden muss. Dafür müsse der Staat sorgen. Spielraum dafür gibt es jedenfalls. Die Flugabgabe ist in Österreich zum Beispiel sehr niedrig, für Kurzstreckenflüge sind es gerade einmal 3,50 Euro pro Ticket. Tickets sind zudem von der Mehrwertsteuer befreit, und Airlines zahlen für ihr Kerosin keine Mineralölsteuer – die aber jedes Mal anfällt, wenn ein Autofahrer tankt.

Der Flug nach Mallorca

Der deutsche Klimaschützer Cames sagt aber zudem, dass sich auch das individuelle Verhalten ändern müsse. "Ein Flug der Familie von Düsseldorf nach Mallorca verursacht etwa so viele Emissionen wie ein Jahr lang Auto fahren. Das heißt, das individuelle Verhalten zu ändern kann einen Unterschied ausmachen", so Cames.

Dürfen wir noch Fliegen? Darüber diskutierte AUA-Chef Alexis von Hoensbroech am Montagabend mit der Klimaaktivistin Mira Kapfinger. Sehen Sie die Debatte in unserem Video – direkt aus dem STANDARD-Studio.
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Nicht vergessen werden sollte in der Debatte, dass für Airlines in der EU bereits diverse Auflagen greifen. Unternehmen, die viel CO2 verursachen, müssen in der EU Zertifikate zukaufen. CO2 soll damit teuer werden, Unternehmen sollen dadurch dazu angehalten werden, klimaschonender zu agieren.

Airlines erhalten allerdings derzeit einen großen Teil der benötigten Zertifikate, rund 85 Prozent, gratis. Laut Luftfahrt-Umweltbericht haben Airlines im Jahr 2017 etwa 190 Millionen Euro für CO2-Zertifikate bezahlt. Das ist zwar um 100 Millionen mehr als noch im Jahr 2013. Doch pro Airline entsprechen die Ausgaben für CO2 gerade einmal 0,3 Prozent der Gesamtkosten.

Im Rahmen der Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO), einer Unterorganisation der Uno, haben zahlreiche Länder 2016 zudem vereinbart, dass die Luftfahrt ab 2020 CO2-neutral wachsen soll. Airlines sollen vor allem in Klimaschutzprojekte investieren, etwa in die saubere Gewinnung von Energie durch Wasserkraftwerke. Wie effektiv dieses System sein wird, ist noch unklar. Ebenso ungewiss ist, wie das System der EU-Zertifikate mit den Regelungen aus dem Abkommen zusammenpassen wird. (András Szigetvari, 24.6.2019)