Das Antibiotikum Lugdunin produzieren gutartige Bakterien auf der menschlichen Nasenschleimhaut, um den Infektionserreger Staphylococcus aureus fernzuhalten.

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Tübingen – Multirestistente Keime zählen zur größten Gesundheitsgefahr der Zukunft. Wodurch das Problem zusätzlich verschäft wird: die Pharmaindustrie zieht sich zunehmend aus der Entwicklung neuer Antibiotika zurück. Doch es gibt Hoffnung: Forscher der Eberhard Karls Universität Tübingen konnte nun in einer Studie nachweisen, dass das natürliche Antibiotikum Lugdunin krankheitserregende Bakterien gleichzeitig auf mehreren unterschiedlichen Wegen angreift. Dabei wirkt es auch mit Abwehrmechanismen des menschlichen Körpers zusammen.

Die Forscher vermuten, dass Lugdunin wegen seiner vielseitigen Angriffsfähigkeit über einen langen Zeitraum bis heute wirksam blieb und sich keine Resistenzen gegen das Antibiotikum bilden konnten.

Natürliches Antibiotikum

Die Entwicklung von Antibiotika zählt zu den großen Erfolgsgeschichten der Medizin, viele Experten befürchten jedoch, dass wir schon bald in eine Ära ohne Antibiotika eintreten könnten, da immer mehr der verfügbaren Medikamente ihre Wirkung aufgrund von Resistenzen verlieren.

Antibiotika sind jedoch keine Erfindung der pharmazeutischen Industrie. "Vielmehr bilden zahlreiche Bakterien solche Wirkstoffe natürlicherweise, vermutlich bereits über lange evolutionäre Zeiträume hinweg, ohne dass sie ihre Effektivität verlieren", sagt Birgit Schittek von der Universitäts-Hautklinik Tübingen.

Unerwartete Eigenschaften

Das Antibiotikum Lugdunin produzieren gutartige Bakterien auf der menschlichen Nasenschleimhaut, um den Infektionserreger Staphylococcus aureus fernzuhalten. "Warum Lugdunin bis heute hochwirksam ist, war bislang völlig rätselhaft", sagt Schittek.

Erst kürzlich hatten Chemikerinnen der Universität Tübingen in der Fachzeitschrift Angewandte Chemie berichtet, dass Lugdunin den Energiehaushalt von krankheitserregenden Bakterien stören und sie dadurch töten kann. In der aktuellen Studie entdeckten die Wissenschafter, dass Lugdunin nicht nur direkt antimikrobiell auf S. aureus wirkt, sondern noch zwei weitere, völlig unerwartete Eigenschaften aufweist: "Einerseits wirkt es im Verein mit antimikrobiellen Peptiden, die unsere menschlichen Zellen bilden. Andererseits bindet es an ein menschliches Rezeptorprotein namens TLR2. Dadurch werden die Immunzellen stimuliert und die Immunantwort so aktiviert, dass S. aureus keine Chance hat, sich anzusiedeln und Infektionen zu verursachen", sagt Andreas Peschel vom Interfakultären Institut für Mikrobiologie und Infektionsmedizin der Universität Tübingen.

Die weitgehend von einander unabhängigen Angriffsebenen seien es, die ein natürliches Antibiotikum wie Lugdunin einem chemisch hergestellten Stoff, der nur ein einzelnes Angriffsziel in der Bakterienzelle hat, in Sachen Resistenzvermeidung überlegen ist, fassen die Forscher ihre Studienergebnisse zusammen. Die Wissenschafter hoffen nun, dass sich auf Basis dieser Erkenntnisse neue therapeutische Wirkstoffe entwickeln lassen, die ähnlich effektiv funktionieren und kaum Resistenzen hervorrufen. (red, 25.6.2019)