Achtung, Elizabeth Ward verstört bei den Hygieneprodukten!

Foto: Oliver Ottenschläger

Überraschungseier gibt's um 1,29 Euro. Das Flascherl Maggi ist nicht im Sonderangebot, kostet aber mit 2,39 auch kein Haus. Das Twinni-Eis – von manchen als die wahre Dialektik des 1968er-Jahres gepriesen – kommt im Neunerpack um 20 Prozent billiger. Und die Tänzerin Elizabeth Ward hält andächtig eine Tube Cien SOS Handkonzentrat zu 1,06 Euro in ihren Händen. SOS! Wo sind wir da? Richtig: in einer ehemaligen Kunsthalle.

Das Tanzquartier Wien und die Sammlung Kontakt haben sich mit schwer zu übertreffendem Sinn für Humor zwei sozusagen doppelbödige Orte für ihr gemeinsames Performance-Ausstellungs-Projekt Collective Exhibition for a Single Body ausgesucht: einmal das edelmoderne Erdberger Haus Wittgenstein im Schatten eines großkotzigen Büroklotzes und dann noch den denkmalgeschützten einstigen Ausstellungsraum einer Versicherung in der Wiedner Hauptstraße, der seit August des Vorjahres eine Lidl-Filiale beherbergt. Die Collective Exhibition ist, für sich betrachtet, ein extrakluger kuratorischer Coup, in dem zeitgenössische Choreografie auf bildende Kunst vor allem aus Osteuropa reagiert. Die kleine, feine Ausstellung im bulgarischen Kulturinstitut, das im Haus Wittgenstein residiert, zeigt Fotos, grafische Arbeiten, Videos und eine Installation.

Darunter finden sich Werke von Geta Bratescu, Július Koller, Sanja Ivekovic, Mladen Stilinovic und Anna Jermolaewa, aber auch Valie Export und Jakob Lena Knebl sind dabei. Zusammengestellt wurde die Schau von Kurator Pierre Bal-Blanc, der für diesen Anlass ein Konzept adaptiert hat, mit dem er bereits 2017 bei der Documenta 14 präsent war.

Rum für den Sinnesrausch

In Wien hat jetzt der rumänische Choreograf Manuel Pelmus aus den in den Werken der Kontakt-Sammlung "gespeicherten" Gesten eine performative Partitur gebastelt, die im Diskontmarkt bei laufendem Betrieb live von Jack Hauser, Hayder Wahab und Ward ganz subversiv dezent umgesetzt wird. Ein Rat an alle Besucher: Stärken Sie sich – bitte nicht vergessen, vorher zu zahlen! – mit dem guten Kirschenlikör aus Inländer-Rum von Gautier Mückstein um 5,99. Denn dessen 22,5 Prozent Alkohol hinter dem sozialistisch roten Etikett könnten den Sinnesrausch in dieser Collective Exhibition for a Single Body noch verstärken.

Die Zusammenhänge in diesem und rund um dieses Projekt haben es wirklich in sich: Dreißig Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs sowie dem globalen Aufstieg eines Neoliberalismus mit sehr zwiespältigen Folgen für die Bewohner des Ex-"Ostblocks" wird das Wiener bulgarische Kulturinstitut zum Zentrum für ironische Gesten in Richtung des Tanzes der Verhältnisse von heute.

Ebenfalls in den Eighties sahen etliche Großunternehmen in der Einrichtung von Sammlungen und Ausstellungsräumen einen Prestigegewinn. Die Versicherung, deren ehemaliger Kunstraum im Vorjahr zur Diskontmarktfiliale avanciert ist, hat mit – eigentlich dankenswerter – Deutlichkeit gezeigt, wie die Bande zwischen Kunst und Wirtschaft wirklich beschaffen sind. Und die Kunden im Markt? Sie lassen sich durch die Performer verwundern. Ein ganz kleines bisschen zumindest. (Helmut Ploebst, 24.6.2019)