Stellen Sie sich vor, es gibt KI, und keiner weiß, was das bedeutet. Ein Umstand, der den Status quo in unserer Gesellschaft ganz gut wiedergibt. Denn KI – das "neue Bio" – findet als Terminus so inflationär wie kein anderer Begriff Einzug in unseren Alltag. Es gibt inzwischen kaum mehr eine journalistische Headline, die ohne sie auskommt. Auch in der Start-up-Szene ist KI der Fokus allen Innovationsgedankens: Jedes zwölfte Start-up in Europa gibt an, sich mit KI zu beschäftigen. Und auch sonst begegnet uns KI im täglichen Leben ständig – oft vollkommen unbemerkt: Wir sprechen heute ganz selbstverständlich mit Alexa oder Siri, lassen E-Mails blockieren oder Texte per Knopfdruck übersetzen. All das ist KI. Obwohl kaum jemand weiß, was das eigentlich bedeutet.

"Die größte Gefahr von künstlicher Intelligenz ist, dass die Menschen viel zu früh denken, dass sie künstliche Intelligenz verstanden haben", sagte einmal der US-amerikanische Forscher und Autor Eliezer Yudkowsky. Und sollte damit wohl recht behalten. Den Begriff KI kennen zwar die meisten Menschen, die wenigsten wissen jedoch, was genau damit gemeint ist.

Selbstständiges Lernen

KI kann noch nicht alles, was wir können. Aber manches kann sie schon besser als ihre Schöpfenden. Wir steuern also durchaus auf eine Zukunft hin, in der wir Menschen nicht mehr alleinige intelligente Wesen auf der Erde sind. Und trotzdem gibt es keine KI ohne uns Menschen. Denn KI ist nichts anderes als eine sehr spezifische Art des Lernens – nämlich maschinelles Lernen. Dieses Lernen ist sowohl begrenzt als auch unbegrenzt. Unbegrenzt deshalb, weil maschinelles Lernen dem physischen Lernen des menschlichen Gehirns weit überlegen ist, da immer leistungsfähigere Computer immer mehr Operationen in winzigen Sekundenbruchteilen bewältigen. Begrenzt deshalb, weil ein Computer eben nur Muster ermittelt – Sinnhaftigkeit und Logik dahinter erkennt alleine der Mensch. Unternehmen können auf Basis maschinellen Lernens Daten analysieren, um etwa zu erfahren, wann mehr Rohstoffe nachbestellt werden müssen – all das auf Grundlage von Faktoren wie Lagerbestand, Produktivität oder Marktnachfrage.

Die Erschaffung der Roboter – ohne Menschen gibt es keine KI.
Foto: APA/AFP/MARK RALSTON

KI meint also Computersysteme, Maschinen und Roboter, die selbstständig lernen können. Neben dem maschinellen Lernen – das strategisch angelegt ist und Intelligenz in Geschäftsprozesse einbindet, um Entscheidungen schneller treffen zu können – geht das sogenannte Deep Learning einen Schritt weiter. Deep Learning taucht tiefer in Daten und Trends ein, um Schlussfolgerungen zu ziehen. Etwa welche Filme Netflix seinen Nutzerinnen und Nutzern auf Basis von Sehgewohnheiten, Verweildauer oder Bewertungen empfehlen soll.

Deep Learning verwendet Algorithmen – modellbildend sind dabei das menschliche Gehirn und dessen neuronale Netze. Algorithmen sind eindeutige Handlungsvorschriften für das Lösen eines Problems oder zur Bewältigung einer Aufgabe. Anhand dieses Lösungsplans werden in Einzelschritten Eingabedaten in Ausgabedaten umgewandelt. Eine Umfrage der Bertelsmann-Stiftung etwa ergab, dass rund 48 Prozent der Europäer keine Ahnung haben, was ein Algorithmus ist. Beispiele für Algorithmen sind etwa Gebrauchsanweisungen, Spielregeln, Bau- oder Bastelanleitungen oder Hashfunktionen.

Vertrauen und Vorurteile

All das klingt – trotz aller Versuche in Richtung Niederschwelligkeit der Fachtermini – überaus technisch, komplex und kompliziert. Muss ich KI und die damit verbundenen Begriffe wirklich erst verstehen, um sie effektiv und guten Gewissens nützen zu können? Ja und nein.

Ja deshalb, weil es jedenfalls hilft, ein Gefühl für die Dos und Don'ts im Bereich KI zu bekommen. Ja auch, weil fundiert(er)es Wissen mehr Sicherheit im Umgang und gegenüber dem Informations(über)fluss zum Thema bedeutet. Und schließlich ja, weil nur so Vertrauen in neue, komplexe Technologien generiert werden kann. Und Vertrauen ist ein ganz wesentlicher Ankerpunkt im Konzeptdickicht von KI und Robotik – denn je mehr Aufgaben automatisiert werden, desto wichtiger ist es, den jeweiligen Modellen vertrauen zu können. KI ist ein menschengemachtes Konzept, die Systeme werden von Menschen entworfen – dadurch ist es möglich, dass es zu Bias kommt. Bias ist ein Vorurteil für oder gegen etwas oder jemanden, das zu unfairen Entscheidungen führen kann. Es ist bekannt, dass der Mensch bei seiner Entscheidungsfindung voreingenommen ist. Da KI-Systeme von Menschen entworfen werden, ist es durchaus möglich, dass Menschen ihre Vorurteile in KI-Systeme übertragen, auch auf unbeabsichtigte Weise.

Vertrauenswürdige und Erklärbare KI

Zwei Dimensionen, die das Vertrauen in Systeme und Maschine festigen können, sind Erklärbare KI und die Vertrauenswürdige KI. Erklärbare KI sagt beziehungsweise zeigt den menschlichen Bedienenden, wie sie zu ihren Schlussfolgerungen gekommen ist. Vertrauenswürdige KI hat zwei Komponenten:

1. Die Entwicklung, der Einsatz und die Nutzung sollten den Grundrechten und den geltenden Vorschriften sowie den Grundprinzipien und Werten entsprechen und einen "ethischen Zweck" gewährleisten.

2. Sie sollte technisch robust und zuverlässig sein.

Anfang April 2019 stellte eine hochrangige EU-Expertengruppe für KI (AI HLEG) ihre Ethikrichtlinien für eine vertrauenswürdige künstliche Intelligenz vor. Die Formulierung von sieben Kriterien versteht sich als erster Schritt eines Prozesses, bei dem ab Sommer 2019 alle Interessengruppen eingeladen sind, im Rahmen einer Forumsdiskussion Best-Practice-Beiträge und Vorschläge einzubringen. Aufbauend auf diesen Rückmeldungen wird die Expertengruppe Anfang 2020 die Bewertung der Kriterien überprüfen, um konkrete Vorschläge zur Umsetzung zu unterbreiten. (Diana Gregor-Patera, 27.6.2019)

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