Bunte Tradition und Hochdruck-Klamauk im schönen Baden.

Christian Husar

Die Vergangenheit wird in Baden so hingebungsvoll konserviert wie weiland im nahen Inzersdorf die österreichische Hausmannskost. Es gibt im Kurort aber auch so viel davon, unter anderem die 1906 erbaute Sommerarena. In diesem charmanten Freilufttheater (mit Glasdach) betreibt die Bühne Baden wiederum alljährlich auch Konservierungsmaßnahmen an der Gattung der Operette – aktuell an Carl Zellers Vogelhändler.

Die Bühnenwelten von Christof Lerchenmüller zeigen Waldidyll und Palaispracht; Alexia Redl (Kostüme) kleidet den kurfürstlich-rheinpfälzischen Hofstaat in luxuriöses Stadttheater-Rokoko, die Bevölkerung trägt Trachtiges in feinsten Brauntönen. "Alles, wie es sein soll", rapportiert ein lebenserfahrener Stammgast zufrieden am Handy nach Hause.

Auf der Bühne setzt Christa Ertl auf Hochdruck-Klamauk, der mal zündet und mal nicht. Eine Granate ist Verena Scheitz als trinkfeste Baronin Adelaide: Die TV-Moderatorin hat das Publikum auch auf einer Bühne in der Hand. Sébastien Soulès hingegen will als Baron Weps zu viel und irrlichtert im Knallchargen-Terrain herum.

Hochpräzise Komik

Der Ruhepol ist Regina Riel, ihrer Kurfürstin Marie ist die Bewegungsskepsis einer Mariah Carey zu eigen. Hochkarätige, weil hochpräzise Komik gibt es bei den kleineren Partien zu entdecken: Allein schon wegen des (auch witzig choreografierten) Duetts Ich bin der Prodekan von Beppo Binder und Artur Ortens (als Professoren Süffle und Würmchen) lohnt sich die Reise nach Baden. Chapeau! Erfrischend auch Natalia Bezak als Kellnerin Jette.

Quirlig und energisch agiert Ilia Staple als Christel von der Post, die Linzerin singt auch tipptopp, bietet neben einer kecken Soubretten-Wendigkeit auch dramatische Kraft in den Spitzentönen. Leider setzt Clemens Kerschbaumer als Vogelhändler Adam zu oft auf vokalen Überdruck, hoffentlich nur aufgrund einer premierenbedingten Anspannung. Man ist überrascht, als Kerschbaumer nach all dem Pressing beim Ahnl-Lied plötzlich ein stimmungsvolles Piano aus der Kehle zaubert. Am Tiroler Dialekt könnte der gebürtige Wiener noch etwas feilen.

Durchwegs eine Wohltat ist hingegen der kraftvoll-strahlende, höhensichere und geschmeidige Tenor von Matjaz Stopinsek (als Graf Stanislaus). Ach, hätte der gebürtige Slowene doch den Hit des Abends zu singen gehabt: Schenkt man sich Rosen in Tirol – eine der perfektesten Nummern der Operettenliteratur.

Franz Josef Breznik trimmt das Orchester ganz auf Poesie und sängerdienliche, delikate Dezenz. Das ist meist sehr schön, müsste bei der Ouvertüre aber nicht sein; auch in Relation mit dem stimmstarken Chor ergibt sich oft ein Ungleichgewicht. Premierenjubel im Kurpark. (Stefan Ender, 26.6.2019)