Take That sind back for good: Mark Owen, Gary Barlow und Howard Donald (von links) fordern von ihren Fans das Recht auf Synchrontanz ein.

APA / Axel Heimken

Wer sich heute noch an die letzte große Boyband, die sympathischen Harmoniegesang- und Einzelschmacht-Experten One Direction und deren Erweckungsmessen mit Hörsturz verursachendem Teeniegekreische erinnert, ist nicht mehr ganz jung. Sie gurken schon seit 2015 nicht mehr durch die Stadien der Welt, um dort Hörstürze mittels Teeniegekreische hervorzurufen.

US 5 ist dann schon mehr etwas für jene älteren Spezialisten, die mittlerweile statt den eigenen Stundenplänen jene der Kinder am Kühlschrank picken haben. US 5 lösten sich 2009 auf, vier Jahre nachdem sich die Jonas Brothers gegründet hatten – und ein Jahr vor dem Comeback von East 17. Die hatten sich 1999 aufgrund eines Drogenskandals zerstritten, ein Jahr nachdem Westlife weltweit die Charts stürmten.

Take That hinter Backstreet Boys

Wirklich steinalt ist man, wenn man sich heute vor der Wiener Stadthalle anlässlich des Konzerts der britischen Boybandinstitution Take That an ähnliche Bands aus den Jugendtagen erinnert. New Kids On The Block gingen schon 1984 um, die schnuckeligen Backstreet Boys verweigerten 1993 den wilden Grungerock Nirvanas. Sie tanzen im Gegensatz zu allen Genannten parallel zu den seit mittlerweile fast 30 Jahren irgendwelche Babys mittels Testosteronüberschuss anjammernden Take That noch immer. Ende Mai spielten sie in der ausverkauften großen Wiener Stadthalle.

Mit der kleinen Stadthalle, also mit 2.000 statt 10.000 Sitzplätzen, müssen sich heute Take That um ihr Mastermind Gary Barlow begnügen. Im Gegensatz zu den Backstreet Boys, die mit über 100 Millionen verkauften Tonträgern statt den 45 Millionen von Take That punkten, ist das eigentlich fair.

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Die Backstreet Boys tanzen auch tighter, weil das Showbusiness nun einmal in der Neuen Welt und nicht im käsigen England erfunden wurde. Außerdem hatten die Backstreet Boys im Gegensatz zu den laissez-fairigen Take That als Manager Lou Pearlman im Genick. Er saß von 2008 bis zu seinem Tod 2016 wegen einer blöden Geschichte mit dem Finanzamt eine 25-jährige Haftstrafe ab, brachte aber zuvor nicht nur die Boys auf Kurs, sondern managte unter anderem auch US 5, *NSYNC und O-Town. Letztere haben wir noch gar nicht erwähnt, weil sie sich Anfang der Nullerjahre eh schon wieder aus Altersgründen, der Wehrpflicht oder einem richtigen Beruf auflösten.

Haare schön, Lieder schön

Puh, trotz Ferienzeit ganz schön viele Zahlen. Deshalb zur Auflockerung Lou Pearlman vor seiner Zeit im Häfen in einem Interview, wie lange der Boyband-Boom anhalten werde: "I'll tell you exactly when it'll be over. When God stops making little girls. Until then, we'll keep going." Hin zur Bühne. Lasst die Teddybären fliegen!

Bei Take That hat ursprünglich und dann nach x Jahren wieder Robbie Williams mitgesungen (aber das ist jetzt kompliziert). Zu seinem großen Glück wurde er beim ersten Mal bald drogensüchtig und flog aus der Band, wodurch er eine weitaus größere Weltkarriere als seine Stammband machte. Das giftet den Giftler von East 17 noch heute. Nach einer gemeinsamen Comebacktour ist die Mitgliedschaft Robbies derzeit ruhend.

Boyband bedeutet Disziplin!

Der Erfolg einer Boyband beruht nicht nur auf dem Geschwisterpaar Jazztanz und schöne Lieder zum Kuscheln. Natürlich müssen die Band-Charaktere für jeden Fangeschmack auch "Diversity" sein: der Romantische, der Rebell, der geile Hecht, der Boy, der singen kann, der Kumpel zum Pferdestehlen, die Frau fürs Leben.

Die Boyband dokumentiert auch den Drang zur gesellschaftlichen Normierung. Boyband bedeutet: Disziplin! Eine Boyband feiert eben nicht das Ausschweifengehen, den Exzess, das System von innen mit lauten Gitarren bekämpfen oder sich wochenlang die Haare nicht waschen.

Die Boyband sagt: Tagwache! Gesund essen, früh schlafen, den Body builden, die Choreos und Texte lernen, die Haare schön, funktionieren. Selbstoptimierung ist gefragt. Der älteste von Take That ist jetzt 51. Wann hört das auf, wie wird das weitergehen? Ein Leben im Zwölfstundentag. (Christian Schachinger, 26.6.2019)