Fahne hoch für den Klimanotstand: Ortschef Andreas Babler (links) will so Druck auf Land und Bund ausüben.

Foto: Stadtgemeinde Traiskirchen / Irene Kari

Am Montag hat die niederösterreichische Gemeinde Traiskirchen den Klimanotstand ausgerufen. Welche Folgen hat diese Aktion für die Bewohnerinnen und Bewohner? Welche Chancen eröffnet sie?

Frage: Traiskirchen hat den Klimanotstand ausgerufen. Was ändert sich dort jetzt?

Antwort: Kurzfristig wenig. Bürgermeister Andreas Babler (SPÖ), der den Antrag für die Ausrufung am Montag im Traiskirchener Gemeinderat persönlich eingebracht hat, nennt es im STANDARD-Gespräch einen deklaratorischen Akt. Mit ihm räume die Stadtgemeinde dem Eindämmen der Klimakrise höchste Priorität ein – und erkenne gleichzeitig an, "dass die bisherigen Klimamaßnahmen sämtlicher österreichischer Gebietskörperschaften nicht ausreichen, um die Welterwärmung auf 1,5 Grad plus zu beschränken". 1,5 Grad Celsius plus im Vergleich zu den Durchschnittstemperaturen der vorindustriellen Zeit entsprechen den Zielen des Pariser Klimaabkommens aus dem Jahr 2015.

Frage: Ist die Aktion also vor allem als Appell zu verstehen?

Antwort: Einerseits ja, denn die Kompetenzen einer Gemeinde für durchgreifende Maßnahmen reichen nicht weit genug. Von der Raumplanung über die Bauordnung bis zur Verkehrs- und Industriepolitik entscheiden Land und Bund über die großen Brocken. Auf sie soll mittels Klimanotstandausrufung Druck ausgeübt werden. Andererseits kann Traiskirchen im eigenen Wirkungsbereich durchaus Maßnahmen setzen, etwa indem bei kommunalen Bauten Holz statt Beton verwendet oder der CO2-Ausstoß der Gemeinde regelmäßig überprüft wird.

Frage: Woher stammt die Idee der Klimanotstandsausrufung?

Antwort: Aus Australien. Die Stadt Darebin verabschiedete 2017 den Darebin Climate Emergency Plan. 2018 präsentierte der Club of Rome eine ebensolche Vorlage. Sanktionen sieht sie nicht vor. Auch die Klimaproteste von Fridays for Future – in Österreich Ansprechpartner für interessierte Gebietskörperschaften – und Extinction Rebellion haben die Idee weiterverbreitet. 2019 haben Großbritannien, Irland und die spanische Region Katalonien den Klimanotstand ausgerufen. In Österreich sind es derzeit Gemeinden, neben Traiskirchen und Michaelerberg-Pruggern Perchtoldsdorf mit einem Klimamanifest.

Frage: "Manifest" klingt weniger alarmierend als "Notstand". Sät der Begriff Klimanotstand nicht Panik?

Antwort: Es sei "ein stark emotional aufgeladener Begriff", der ausdrücke, "dass sehr schnell etwa getan werden muss", sagt die Linguistin Ruth Wodak im STANDARD-Gespräch. Der Diskurs über die Klimaerwärmung sei auch ein Kampf um Begriffe. So habe der den Republikanern nahestehende US-Politikberater Frank Luntz den Euphemismus "Klimawandel" ("climate change") anstelle von Klimakrise ("climate crisis") noch zu Präsident Bushs Zeiten geprägt, um den Anteil menschlicher Aktivität an der Erderwärmung herunterzuspielen. Die Ausdrücke "Klimakrise" und "Klimanotstand" ("climate emergency") seien als entsprechende Gegenbegriffe und Reaktionen darauf zu werten.

Frage: Die nächste Hitzewelle ist aktuell im Anmarsch. Ist das ein Zeichen für den Klimawandel?

Antwort: Wetter ist nicht gleich Klima. Das Klima beschreibt den Zustand des Klimasystems über lange Zeiträume, während das Wetter, auch mit Extremwerten, unmittelbar und persönlich erlebt werden kann. Es ist aber bemerkenswert, dass acht der bisher zehn wärmsten Junimonate in Österreich in den 2000er-Jahren gemessen wurden. Der aktuelle Juni wird laut Prognosen der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) der wärmste in der über 250-jährigen Messgeschichte – und rund 4,5 Grad über dem Mittelwert liegen.

Frage: Werden weitere Temperaturrekorde gebrochen?

Antwort: Am Dienstag wurde in Tirol ein neuer Hitzerekord für Juni aufgestellt. Der Wetterdienst Ubimet registrierte an der Station Innsbruck-Uni 36,7 Grad. Mittwoch und Donnerstag soll es in Tirol und Vorarlberg noch heißer werden. Die Österreich-Höchstmarke im Juni beträgt 38,6 Grad, diese Temperatur wurde am 20. Juni 2013 in Waidhofen an der Ybbs gemessen. Die Höchsttemperatur in Österreich von 40,5 Grad Celsius wurde im August 2013 in Bad Deutsch-Altenburg registriert. (Irene Brickner, David Krutzler, 26.6.2019)