1960, und schon ein Weltklasse-Starterfeld in Zeltweg. In der ersten Startreihe sind der Cooper von Jack Brabham und der Porsche von Stirling Moss auszumachen. Wir ehren auch den Mann mit Hut im Vordergrund: Österreichs Motorsport-Visionär Martin Pfundner, damals jugendlicher Rennleiter. Wegen übergroßer Stirling-Moss-Begeisterung der Zuschauer (keine Absperrungen) musste er das Rennen drei Runden vor Schluss abbrechen – cool und stilgerecht mit Zielflagge für Stirling Moss.

Foto: Artur Fenzlau / Technisches Museum Wien

Innes Ireland, Lotus-Werksfahrer, auf Augenhöhe mit Jim Clark, lieferte die besten Geschichten aus den frühen Zeltweg-Tagen.

Foto: Artur Fenzlau / Technisches Museum Wien

Inbegriff der klassischen Moderne: Jim Clark auf Lotus, 1964.

Foto: Artur Fenzlau / Technisches Museum Wien

Erster Schritt in die große internationale Karriere: Jochen Rindt auf Lotus im Starterfeld des WM-Laufs von 1964.

Foto: Artur Fenzlau / Technisches Museum Wien

Schauspieler Gunther Philipp war ein hervorragender Amateur-Rennfahrer. 1961 gewann er den GT-Lauf in Zeltweg auf Ferrari 250. Das Pseudonym, das er für diesen Auftritt wählte, war "Terramonte". Gunther Philipp hatte als Kind ein paar Jahre in Erdberg gelebt.

Foto: Erwin Jelinek/Technisches Museum Wien

Der Sieger des Rennens von 1961 kletterte in der Nacht nach dem Erfolg auf den Kirchturm von Judenburg. Es war keine große Sache, der Mann aus Schottland ging gern auf Kirchtürmen in die Höh, was meistens ohne Polizei ablief, sofern nicht auch die Glocken in Bewegung gerieten.

Dieser durchaus berühmte Rennfahrer war also Schotte, hieß aber Innes Ireland. Mit einem Kerl wie Ireland (gleiche Liga wie Stirling Moss und Jim Clark) mag man sich die Folklore aus der Urzeit von Zeltweg, Region Knittelfeld, am besten vorstellen.

Fein und bieder

Bevor wir die Geschichte von Innes Ireland erzählen: Begonnen hatte es ja schon 1957 mit dem ersten internationalen Rennen in Zeltweg. Noch keine Rede von Formel 1, aber es gab feine Sportwagen (Porsche Spyder) und biedere Tourenwagen, von der Giulietta bis zum Ford 15M.

Die ausgehenden Fünfziger waren ja eine karge, auch noch ziemlich dumpfe Zeit, und in der Mürzfurche wurde nicht gerade vorauseilend das Licht angeknipst. Aber es gab nun mal den Militärflughafen, und wenn's auf der Piste auch rumpelte zum Gotterbarmen, ließen sich junge Burschen herholen, deren Namen den heutigen Sportsfreund zum feierlichen Salut rufen: Wolfgang von Trips, Jack Brabham, Joakim Bonnier, Jim Clark, Stirling Moss, John Surtees, Innes Ireland, Hans Herrmann, Lorenzo Bandini, Chris Amon, und ab 1963 war auch schon Jochen Rindt dabei. (Wer jetzt innehält und nachdenkt: Unter uns sind nur noch Hans Herrmann, 91, und Stirling Moss, 89).

Heinz Prüller

Und beim Stichwort Rindt: Selbstverständlich hatte diese ganze Szenerie den Jochen elektrisiert, sie war mit ein Auslöser seines Steilflugs. Der jugendliche Heinz Prüller hatte eben begonnen, die Piloten mit schmückenden Beiwörtern kenntlich zu machen. Ireland war "Whiskyface" und "Großwildjäger". Das Rennen von 1961 auf der Flugplatz-Rumpelpiste von Zeltweg war der erste Formel-1-Lauf in Österreich, aber noch ohne Grand-Prix-Prädikat. Dass man es geschafft hatte, die Weltelite herzubringen, gehörte zu den kleinen Nachkriegswundern des Landes.

Es gab damals in der ganzen Region nur ein einziges Hotel (das "Werkshotel" in Zeltweg), sodass man selbst die Stars auf Gast- und Bauernhöfe verteilen musste. Man hatte spitzgekriegt, dass Ireland Jäger sei, und offerierte ihm für den Vorabend des Rennens einen Bock, sein Bauer würde ihn führen und ihm ein Gewehr leihen.

Unser schottischer Freund kannte nichts anderes als die Pirschjagd ("deer-stalking") und war daher ratlos, als ihn die Wirtsfrau vor dem Abmarsch mit einem Ungetüm von Lodenmantel ausstaffierte.

Der Bock

Der Bauer, der natürlich kein Wort Englisch sprach, strebte schnurstracks einem Baum zu und stieg auf den Hochstand. Ireland, irritiert, kletterte auch hinauf und fand sich in der Situation, dass er mit dem Bauern eine Plattform teilte. Der Bauer fiel sofort in Schlaf, und erst jetzt ahnte der Schotte, warum er einen Lodenmantel ausgefasst hatte: Er sollte wohl die ganze Nacht auf dem Hochstand bleiben und eventuell in der Morgendämmerung (des Renntags!) zum Schuss kommen. Ireland feuerte aber bereits am frühen Abend (man stelle sich den schlafenden Hochstand-Gefährten vor) und erzwang solcherart den Rückmarsch noch am Samstagabend, samt dem erlegten Bock, was zu einem triumphalen Einmarsch in Fohnsdorf führte.

Wir dürfen aus Irelands Biografie übersetzen:

Es war schon dunkel, als wir zum Bauernhof kamen, und im Haus drin war es unglaublich düster – so, dass ich über die Hühner in der Küche stolperte und an einer Kuh oder so was anstieß, bevor ich die ersten Schritte geschafft hatte. Der Gestank in dem Haus war unbeschreiblich, was nicht überraschend kam, denn alle Tiere des Bauernhofs schienen das Haus mit der Familie zu teilen.

Wie auch immer, wir setzten uns nieder, es gab Wein und unzählige Prost! auf ichweißnichtwas – und dann aßen wir.

Sie brachten schwarzes Brot zum Vorschein, und einen Teller voll der denkbar scheußlichsten Mixtur, um sie draufzuschmieren. Es schaute aus wie graues Schmalz mit weißen Brocken drin – absolut das schrecklichste Zeug, das man sich vorstellen kann. Da ich aber niemanden verletzen wollte, brach ich ein großes Stück Brot ab, schmierte das Zeug drauf und verspeiste es mit offensichtlich großem Gusto, denn sie schafften rasch mehr davon ran, um mir weitere Freude zu bereiten. (Es muss sich wohl um Verhackerts gehandelt haben, Anm.).

Ich war schon an dem Punkt, wo ich mir wünschte, den räudigen Bock gar nicht erlegt zu haben. Am Ende aber kapierte ich, dass es mein Glücksschuss war. Wäre er nicht gelungen, hätte ich die ganze Nacht vor dem Rennen oben im Baum verbringen müssen, bis das Wild auf die Lichtung gekommen wäre. Und – noch ärger, ich hätte das grausige Mahl wahrscheinlich zum Frühstück essen müssen – vor dem Rennen!

Aber trotz allem, ich genoss die Gastfreundschaft dieser schlichten, aber glücklichen Menschen.

Die Gäste hatten also ihre Hetz bei ihrem Trip in die nie gekannte Exotik. Die freundlichen Rückmeldungen ins Ausland waren sicher hilfreich für den Status als Weltmeisterschaftslauf im Jahr 1964. Es war auch ein persönlicher Triumph für Martin Pfundner, der international für Österreich die Fäden zog.

Damals und heute

Die Kosten für das gesamte Starterfeld lassen sich auf heutige 120.000 Euro zurückrechnen, die Gebühr hat sich mittlerweile ungefähr dreimal verhundertfacht, falls wir uns da nicht mit den Kommas verhaspeln.

Man darf sich die Szenerie von 1964 noch immer sehr schlicht vorstellen. Statt elektronischer Schleusen regelten Spagatschnürln den Zugang, statt Leitschienen stemmten sich Strohballen gegen schleudernde Rennwagen. Die Gastronomie konzentrierte sich auf Würstel mit Senf, statt der Security waren Feuerwehr und Gendarmerie im Einsatz.

Die größte Investition bestand im Kauf eines Londoner Doppeldecker-Autobusses für das Rennbüro. Im ersten Stock wurde die Zeitnahme eingerichtet, die bestand aus acht Mann mit je zwei Stoppuhren. Der in London bereits ausrangierte Doppeldecker kostete 500 Pfund und war so hoch, dass man vor den Brückendurchfahrten zwischen Wien und Knittelfeld immer erst die Luft aus den Reifen ablassen musste, um gerade noch durchzuschrammen. Die Boxen wurden aus Stahlrohren mit gewelltem Plastikdach improvisiert. Das Thema Sicherheit existierte einfach nicht, nirgendwo im europäischen Rennsport. Es waren noch sogenannte Heldenjahre.

Die Stars

Leider, Stichwort Heldenjahre: 1964 in Zeltweg siegte der Ferrari-Pilot Lorenzo Bandini, der drei Jahre später im Feuer an der Hafenschikane von Monaco ums Leben kommen sollte.

Viele Stars fielen im Rennen aus: Jim Clark und Graham Hill, Bruce McLaren, John Surtees, Jo Siffert. Phil Hill entzündete seinen Cooper an einem Strohballen, mit dem er kollidiert war. Es stieg eine sehr bedrohliche Rauchsäule auf, aber der Amerikaner hatte rechtzeitig davonrennen können.

Die meisten Ausfälle hatten damit zu tun, dass die Autos an den nicht immer glatten Fugen zwischen den Betonblöcken der Piste zerbröselten. Es blieb zwar unverändert viel Sympathie für die Ambition der Österreicher, aber die Waschrumpel des Flugfelds ließ eine Formel-1-Zukunft nicht mehr zu. Die Sportbehörde entzog dem Lauf in Österreich den WM-Status. Es wurden zwar danach noch recht ordentliche Sportwagenrennen in Zeltweg gefahren, aber mit der Formel 1 war's vorbei.

Die echte Rennstrecke

So kam das Thema einer "echten" Rennstrecke auf die Welt. Das Erlebnis des WM-Laufs und Jochen Rindts unaufhaltsamer Aufstieg zur Weltklasse hatten in Österreich eine ungeheure Aufbruchstimmung erzeugt.

Die Steirer wollten durchaus in der Nähe bleiben, eine Art von Zeltweg-Tradition spürbar machen, und entschieden sich für das Aichfeld, Gemeinde Spielberg. Spatenstich 1968, erstes Rennen 1970. Die Namen wechselten von Österreich-Ring über A1-Ring zum wohl langfristig gültigen Red-Bull-Ring – bei Dietrich Mateschitz stand ja mehr dahinter als bloß eine Sponsoring-Idee. Das ist natürlich eine eigene Geschichte. (Herbert Völker, 28.6.2019)