Die offene Bekundung der Wunschkoalition birgt Risiken für die Parteien und Chancen für die Regierungsarbeit.

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Ein Blick auf die Geschichte der heimischen Wahlkämpfe zeigt: In den Nachkriegsjahrzehnten war es für die damaligen Großparteien ÖVP und SPÖ durchaus üblich, sich bereits vor der Wahl zu einer weiteren Zusammenarbeit zu bekennen. Das entsprach dem Prinzip der Konsensdemokratie und damit einer möglichst breiten Einbindung verschiedener Interessen in die Politikgestaltung.

Bereits in den 1960er-Jahren änderten sich die Wahlkampfstrategien, und Angaben zum jeweiligen Wunschkoalitionspartner wurden vermieden. In dieser Zeit bildeten sich die ersten Alleinregierungen unter ÖVP (1966–1970) und SPÖ (1970–1983). Seit damals sind Aussagen über den bevorzugten Regierungspartner selten geworden.

Zusammenarbeit mit FPÖ ausgeschlossen

In weiterer Folge wurden lediglich negative Koalitionsaussagen getroffen und damit festgelegt, mit wem keinesfalls eine Koalition eingegangen werden wird. Bestes Beispiel ist die SPÖ. Im Jahr 1986 beendete der damalige SPÖ-Kanzler Franz Vranitzky, nachdem Jörg Haider die FPÖ übernommen hatte, die gemeinsame Koalition und schloss eine weitere Zusammenarbeit mit den Blauen in Zukunft aus. Das führte in der Folge zu einer privilegierten Position der ÖVP bei anstehenden Koalitionsverhandlungen, die sowohl mit der SPÖ als auch mit der FPÖ in eine Koalition eintreten konnte. Im vergangenen Nationalratswahlkampf trat ein SPÖ-Wertekompass an die Stelle des kategorischen Ausschlusses. Gleichzeitig warnten Parteien in ihren Wahlkampfstrategien auch immer häufiger davor, dass Koalitionen ohne die eigene Beteiligung geschlossen werden – aktuell etwa die ÖVP vor einer "rot-blauen Allianz" im Nationalrat.

Bekenntnis zur Wunschkoalition in Deutschland

In Deutschland sind offene Bekundungen der Wunschkoalition hingegen durchaus üblich. Ein Beispiel ist der deutsche Wahlkampf 2013. CDU-Chefin Angela Merkel präferierte wie bereits 2005 und 2009 eine Koalition mit der liberalen FDP. SPD und Grüne warben hingegen erneut für eine gemeinsame rot-grüne Zusammenarbeit. So traten etwa der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel und die Grünen-Chefin Claudia Roth bei den Parteitagen der jeweils anderen Partei auf.

Ist es wichtig, dass Aussagen zur Wunschkoalition getroffen werden? Wir wissen aus der Forschung, dass Parteien jene Wahlversprechen eher umsetzen, die es auch in das gemeinsame Koalitionsabkommen schaffen. Die Wahl des Koalitionspartners hat somit Einfluss auf die Realisierbarkeit der im Wahlkampf gestellten Forderungen der eigenen Partei. Das ist insbesondere relevant, wenn Parteien in ihren Programmen inhaltlich deckungsgleiche oder eben direkt gegensätzliche Ideen vertreten (Stichwort Rauchverbot). Aus Sicht der Parteien bringt eine Festlegung aber natürlich auch Risiken mit sich: Man muss fürchten, dass der eigene Verhandlungsspielraum eingeschränkt werden könnte oder dass die Wählerinnen und Wähler verärgert über scheinbar bereits vor ihrem Votum ausverhandelte Koalitionen reagieren. (Katrin Praprotnik, 26.6.2019)