Auch in Frankreich ist es heiß – es werden Erinnerungen an die Hitzewelle von 2003 hervorgerufen. Damals stieg die Sterberate drastisch an. Das soll nun vermieden werden.

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Paris – 14.802 – diese Zahl wirkt in Frankreich noch Jahre später wie ein Hammerschlag auf das nationale Gewissen. So viele Menschen starben im Jahr 2003 landesweit in der Gluthitze von 20 Augusttagen – und kaum jemand bemerkte es auch nur. Dabei stieg die Sterberate gegenüber Vergleichsmonaten um 55 Prozent. Schuld war die "canicule", die Hitzewelle jenes Sommers. Vor allem in Großstädten wie Paris und Lyon erreichte das Thermometer neun Tage lang 35 Grad, einmal sogar 39 Grad.

Alte, gebrechliche Menschen litten am meisten. Die Krankenhäuser schlugen Mitte August Alarm, da die Notfallstationen überfüllt waren. Bald traf dies auch auf die Leichenhallen zu; im Pariser Frischmarkt Rungis mussten vorübergehend sogar Kühlkammern in Anspruch genommen werden, bevor die aufgebahrten Toten beerdigt werden konnten. Doch die Ämter blieben geschlossen, die Behörden waren in den Ferien. Erst gegen Ende des Monats, als die Hitzewelle abgeflaut war, wurde den Franzosen das Ausmaß der Hekatombe bewusst. Und darüber hinaus, wie viele Menschen völlig allein lebten (und starben), ohne dass jemand auch nur an sie dachte.

Seit Montag tausende Anrufe

Dieses Massensterben alter und isolierter Bürger soll sich nicht mehr wiederholen. Auf Betreiben des damaligen Präsidenten Jacques Chirac, der viel Kritik einstecken musste, weil er seine Ferien nicht abgebrochen hatte, schufen die Behörden eine Kartei namens "Chalex" ("chaleur" steht für Hitze). Sie enthält die Namen besonders gefährdeter, mindestens 75-jähriger oder behinderter Personen – die zudem völlig allein auf einem Landgut oder in einer Pariser Dachkammer leben.

Heute enthält die Kartei die Namen von 7.500 Personen. Sie werden seit Montag nacheinander angerufen. Die Angestellten einer Telekomfirma in der Pariser Vorstadt Bagneux erkundigen sich nach dem Gesundheitszustand und erteilen Ratschläge. Wenn sie beim vierten Anruf keine Antwort erhalten haben, schalten sie je nach Karteieintrag die Familie, Nachbarn oder die kommunalen Dienste ein. Nicht immer ist das Schlimmste eingetreten: Ein Senior erzählte, er sei gerade unterwegs gewesen, um seiner Katze einen kleinen Ventilator zu kaufen. (Stefan Brändle, 26.6.2019)