Das Interesse von Facebook an einer eigenen Kryptowährung hat auch die Kursentwicklung anderer Vertreter, etwa jene des Branchenprimus Bitcoin, zuletzt deutlich angeschoben.

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Es dürften derzeit wohl viele Beobachter eine Art Déjà-vu-Erlebnis haben: Wie im Jahr 2017 schießt der Wert der Kryptowährung Bitcoin derzeit rasant nach oben. Ob wie damals ein brutaler Absturz folgt, bleibt freilich abzuwarten. "Es scheint, als würde sich die Geschichte wiederholen", sagt Timo Emden vom Analysehaus Emden Research. "Nach dem Sprung über 10.000 Dollar fließt nun das große Geld in den Markt, welches den Kurs schnell in noch höhere Dimensionen hieven könnte." Im Gegenzug drohen ihm zufolge nun wieder spektakuläre Abstürze.

Zur Wochenmitte lag der Wert für einen Bitcoin bei rund 12.581 US-Dollar, was einen Zuwachs seit Jahresbeginn von sagenhaften 224 Prozent bedeutet. Auch andere Kryptowährungen verzeichneten ähnlich große Kurszuwächse, sodass der Gesamtwert der insgesamt mehr als 2200 digitalen Coins wieder auf 356 Milliarden Dollar angestiegen ist. Zu Jahreswechsel hatte ihr Gesamtvolumen bloß 126 Milliarden Dollar betragen.

Als Treiber hinter den jüngsten Kurszuwächsen gelten die Pläne von Facebook, im nächsten Jahr ein eigenes digitales Geld namens Libra auf Schiene zu bringen. Die Social-Media-Plattform will damit in den weltweiten Zahlungsverkehr einsteigen. Branchenkenner halten es für möglich, dass Facebook damit das erfolgreichste Kryptoprojekt auf die Beine stellt. "Investoren fiebern Libra entgegen und bleiben in Bezug auf eine erfolgreiche Lancierung der hauseigenen Kryptowährung Facebooks optimistisch, obwohl sich die Stimmen gegen die Pläne verschärft haben", lautet Emdens Einschätzung.

Notenbanken alarmiert

Bei diesen Stimmen handelt es sich um die Notenbanken, die durch die Ankündigungen von Facebook aufgeschreckt wurden. Etwa die Deutsche Bundesbank, deren Vorstand Joachim Wuermeling vorrechnete: Würden nur 100 Millionen der 2,7 Milliarden Facebook-Nutzer bei Libra mitmachen, hätte die Kryptowährung mehr Kunden als der gesamte deutsche Bankenmarkt. Dadurch könnte die Plattform "zum größten Vermögensverwalter der Welt und damit systemrelevant werden", gab Wuermeling zu bedenken.

Aber auch Facebooks Vorhaben, die Kryptowährung an herkömmliche Währungen zu binden und durch Staatsanleihen zu decken, bereitet dem Bundesbanker Kopfzerbrechen: "Facebook könnte Unmengen an Staatsanleihen horten und sich zu einem der größten Gläubiger von Staaten entwickeln", sagte Wuermeling gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Es sei "bedenklich, wenn Nationalstaaten auf diese Weise abhängig würden von einem einzigen Konzern".

Sicher oder gar nicht

Nicht weniger kritisch gibt sich Mark Carney, Chef der Bank of England: Er fordert, dass sein Haus und andere große Notenbanken wie die Federal Reserve sowie Regulatoren Aufsicht über das Libra-Projekt haben müssten. "Es muss sicher sein, oder es wird nicht passieren", zeigte sich Carney kämpferisch.

Offenbar besteht bei den Währungshütern die Sorge, dass Facebook mit seinen Plänen das traditionelle Finanzsystem umkrempeln könnte. Das soziale Netzwerk will Libra durch die Bindung an herkömmliche Währungen als sogenannten Stablecoin ausgestalten, der weniger anfällig für wilde Kurskapriolen als etwa Bitcoin sein soll. Dadurch könnte Libra auch als Zahlungsmittel größere Verbreitung als bisherige Kryptowährungen finden und dadurch traditionellem Geld Konkurrenz machen. Schließlich gilt als Hauptziel, eine Infrastruktur bereitzustellen, die weltweit Zahlungen schnell, einfach und kostengünstig abwickeln kann. Libra hat besonders bei grenzüberschreitenden Zahlungen Potenzial, die nach wie vor durch Ineffizienzen geprägt sind.

Klingende Namen an Bord

Mit an Bord bei der neu gegründeten Organisation namens Libra Association mit Sitz in Genf, die über die Facebook-Währung wachen soll, sind auch klingende Namen aus der Welt des Payment wie Paypal, Visa oder Mastercard – wohl mit ein Grund für die Nervosität der Notenbanken.

Die Pläne von Facebook für die Kryptowährung Libra stoßen auch bei Datenschützern auf Bedenken. "Ein Konzern, der über solch riesige Datenmengen verfügt, sollte nicht noch über Details unseres Zahlungsverhaltens verfügen", sagte der Datenschutzbeauftragte der deutschen Regierung, Ulrich Kelber. "Wir sind da auch schon im Gespräch mit den anderen Datenschutzaufsichtsbehörden, aber auch mit Behörden der Finanzaufsicht und des Wettbewerbsrechts", fügte er hinzu.

Keine Verknüpfung der Daten

Der US-Konzern habe zwar versprochen, die Transaktionsdaten nicht mit anderen Daten zusammenzufassen. Aber: "Wenn wir vom Wohlwollen Facebooks abhängig sind, würde ich davon abraten, darauf zu vertrauen", sagte Kelber. Bereits bei der Zusammenlegung von Facebook und Whatsapp habe sich das Unternehmen nicht an seine Zusagen gehalten.

Ob der Rückenwind für andere Kryptowährungen durch Libra gerechtfertigt ist, muss die Zukunft weisen. Schließlich könnte das Facebook-Geld, so es sich tatsächlich weltweit durchsetzt, auch anderen Coins in der Praxis das Wasser abgraben. Vorerst hält der Auftrieb für Bitcoin an, wie im Boomjahr werden im Internet bereits wieder fantastisch anmutende Kursziele von 50.000 Dollar herumgereicht. Zur Erinnerung: Nachdem Ende 2017 die Blase bei knapp 20.000 Dollar geplatzt war, verlor Bitcoin binnen eines Jahres 80 Prozent seines Werts, bevor es wieder aufwärtsging. (Alexander Hahn, 26.6.2019)