Sportanwältin Christina Toth über Möglichkeiten, Frauengehälter im Fußball anzugleichen: "Der Verband könnte Gelder umverteilen, die er mehrheitlich über die Männer einnimmt."

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Bei der WM-Endrunde der Männer im vergangenen Jahr schüttete der Fußball-Weltverband FIFA 353,6 Millionen Euro an Prämien aus – bei der derzeit laufenden Frauen-WM sind es 30 Millionen.

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Wien – Um die Entwicklung des Frauenfußballs zu illustrieren, lässt sich die Geschichte vom Kaffeeservice aufwärmen. Für den EM-Titel 1989 bekamen die deutschen Siegerinnen jeweils ein aus 41 Teilen bestehendes geblümtes Porzellanservice der Serie Mariposa von Villeroy & Boch. Wer wollte, konnte darin ein symbolhaftes Geschenk sehen: Frauen gehören in den Haushalt und nicht auf den Fußballplatz.

Für den WM-Titel, der am Sonntag in Lyon ausgespielt wird, ist eine Prämie in der Höhe von 75.000 Euro pro Spielerin ausgelobt. Dazwischen lagen viele Jahre des Ringens um Anerkennung, das noch lange nicht beendet ist. "Man kann nur Gleiches gleich behandeln", sagte Rainer Koch, der Präsident des Deutschen Fußballbundes (DFB), "aktuell ist es so, dass bei den Frauen bei weitem nicht die Erlöse erzielt werden können, die im Männerfußball realisiert werden".

"Rechtlich kann man das argumentieren, aber eine Angleichung der Prämien wäre eine gesellschaftspolitische Verantwortung", sagt Christina Toth, Sportanwältin, Präsidentin des Österreichischen Tennisverbandes (ÖTV) und Vorstandsvorsitzende des Instituts für Medizinische und Sportwissenschaftliche Beratung (IMSB). "Der Verband könnte Gelder umverteilen, die er mehrheitlich über die Männer einnimmt."

Streit um die Bezahlung

Anlässlich der Fußball-WM flammte der Streit um gleiche Bezahlung auf. Das US-Team plant, den eigenen Verband zu klagen, weil es nur 38 Prozent des Männerlohns erhält. Österreichs Teamspielerinnen, die vor zwei Jahren das EM-Halbfinale erreicht haben, schalten sich nicht in die Diskussion ein. "Ich würde mir wünschen, sie würden lauter auftreten. Als Aktive ist es aber schwer, weil die Gefahr besteht, dass man sich seine Karriere verbaut. Das passiert auch bei den Männern, siehe Jean-Marc Bosman. Viele Vorkämpfer haben erst nach ihrer aktiven Karriere begonnen, sich für bessere Bedingungen einzusetzen", sagt Toth.

Die Einkommensschere zwischen Männern und Frauen klafft weiter auseinander denn je. Bei der WM-Endrunde der Männer im vergangenen Jahr schüttete der Fußballweltverband Fifa 353,6 Millionen Euro an Prämien aus – bei der derzeit laufenden Frauen-WM sind es 30 Millionen. Im Jahr 2017 verdienten die rund 1700 Spielerinnen aus den besten sieben Ligen der Welt zusammen 36,8 Millionen Euro, so viel kassierte der Brasilianer Neymar bei Paris Saint-Germain allein.

Das Gesetz gibt vor, dass gleicher Lohn für gleiche Arbeit gezahlt werden muss. Juristisch gibt es Argumente für und wider. Toth: "Bei einer WM spielen Frauen genauso viele Spiele wie die Herren, müssen vorher ins Trainingslager, Interviews vor und nach den Spielen geben." Andererseits: "Frauen spielen nicht bei den Herren mit."

ÖFB hätte Möglichkeiten

Die Fifa hat die Prämien für die 24 WM-Teilnehmer zwar verdoppelt, doch bei der Männer-WM 2018 wurden an die 32 Teilnehmer mehr als 400 Millionen Dollar verteilt. Auch Alaba, Arnautovic und Co hätten Argumente dafür, dass sie als Teamspieler vom ÖFB weit mehr kassieren als ihre Kolleginnen. Stichwort: höhere Werbeeinnahmen. "Eine sympathische Argumentation wäre das aber nicht", sagt Toth. "Dem ÖFB würde es nicht wehtun, die Frauen für die paar Länderspiele gleich zu entlohnen. Man könnte einen Fixsatz angleichen und Sponsorleistungen variabel gestalten."

Ein Problem ist die fehlende Lobby. In Österreich sind Spielerinnen nicht in der Gewerkschaft (VdF) organisiert, "da müssten die Frauen einen Schritt setzen, den Aufwind der EM-Euphorie und der großen Transfers ins Ausland nutzen. Aber da will keine den Märtyrertod sterben", sagt Toth. Ein gutes Beispiel sei der nach einem Trainingssturz querschnittsgelähmte Lukas Müller. "Er kann nun leichter Vorkämpfer für die Skispringer sein, weil seine Karriere vorbei ist." In Erinnerung hat Toth noch den Fall Anna Fenninger, die mit dem Skiverband im Streit um Werbeeinnahmen und private Betreuung lag. "Ein Wahnsinn, dass Fenninger sich als Aktive so weit aus dem Fenster gelehnt hat."

Möglich

Dass die Angleichung der Preisgelder möglich ist, zeigt sich im Tennis. Toth: "Das Interesse am Herrentennis ist wesentlich höher, aber das ist eine politische Entscheidung. Das finde ich gut. Und das wurde aus dem Herrenlager auch nicht kritisiert."

US-Kapitänin Megan Rapinoe, die sich gern auch mit Donald Trump anlegt, will mit einigen Kolleginnen den eigenen Verband vor Gericht zu gleicher Entlohnung von Fußballerinnen und Fußballern zwingen. Dienstagabend will die ab Freitag 34-Jährige zudem in Lyon im Halbfinale gegen England mit dem US-Team den nächsten Schritt zur Titelverteidigung setzen. (Florian Vetter, 2.7.2019)