Auch Künstler sind am Erhalt der Halle interessiert – nicht nur die "Initiative SOS Nordbahnhalle".

ig nordbahnhalle

Wien – Es könnte ein Vorzeigeprojekt aus dem Katalog der Wiener Stadtregierung sein: Eine aufgelassene Lagerhalle am Rande des ehemaligen Nordbahnhofgeländes wird seit zwei Jahren vom Projekt design.build der TU Wien umgestaltet und für eine neue Nutzung adaptiert. Kultur trifft dort auf Nachbarschaft; Kleinunternehmen proben Ideen, Anrainern steht ein Grill zur Verfügung. Das alles passiert im größten innerstädtischen Entwicklungsgebiet Wiens, wo bald 20.000 neue Menschen wohnen und ebenso viele Arbeitsplätze entstehen werden.

Für viele der Anrainer ist die Arbeit in der Nordbahnhalle genau das, was Vertreter der Stadtregierung meinen, wenn sie von "dezentraler Kulturarbeit", "Räume für die Nachbarschaft" oder "einer neuen Stadt mit Grätzlzentren und Begegnungsorten" sprechen. Doch bald könnte damit Schluss sein: Ende Juli endet die Zwischennutzung. Für die geplante Tram wird ein Teil der Halle abgerissen.

Alles unklar

Was mit dem Rest der Nordbahnhalle passiert, ist unklar, auch die Schleifung des gesamten Gebäudes steht im Raum. Die neu gegründete Interessensgemeinschaft IG Nordbahnhalle fordert nun in einer Online-Petition ein Bekenntnis der Stadtregierung zum Erhalt des Modellprojekts. Sie wollen, dass die Halle langfristig als "Zentrum für Nachbarschaft, Kultur und sozialen Austausch" im Stadtentwicklungsgebiet bestehen bleibt.

Die vielen Gespräche mit der Stadt verliefen ergebnislos, lässt die Initiative wissen. An der Finanzierung liege es nicht, sagt Leonhard Kalab, Architekturstudent und im Team der Nordbahnhalle aktiv. Allein in den letzten Jahren gab es mehr als 500 Veranstaltungen mit über 200.000 Besuchern. Eine Querfinanzierung des gemeinwohlorientierten Projekts sei dadurch leicht möglich.

Nicht erreichbar

Aus dem Büro der Planungsstadträtin Birgit Hebein (Grüne) heißt es dazu: "Wir setzen uns dafür ein, dass die Halle erhalten bleiben kann." Dazu seien aber noch viele Fragen offen, so Hebein. Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), der von der Petition der Initiative adressiert wird, war für den STANDARD nicht erreichbar.

Auch Künstler sind am Erhalt der Halle interessiert. Die Interessenvertretung der freien Kulturarbeit in Wien (IG Kultur) sieht die Nordbahnhalle als Grundlage für dezentrale Stadt- und Kulturarbeit, "die über bisherige temporäre Pilotprojekte hinausgeht".

Oper in der Halle

Auch Regisseurin Claudia Bosse setzt sich für den Erhalt des Areals ein. Bosse hat mit Theatercombinat vor zwei Jahren eine Oper in der Halle aufgeführt, die sie speziell für den Raum konzipierte: "Für uns ist es spannend, sich mit anderen Bedingungen und einer anderen Öffentlichkeit auseinanderzusetzen", sagt Bosse.

Mit den "Stadtlaboren" hat Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) vor einigen Monaten Signale gesendet, auch Kultur fernab der innerstädtischen Hot-Spots zu fördern. Erhalt und Sanierung der Nordbahnhalle lägen aber nicht in ihrem Bereich. Zum STANDARD sagt sie, dass sie bereits Unterstützung für die kulturelle Nutzung der Halle zugesichert habe. Heute Freitag findet das offizielle Abschlussfest der Nordbahnhalle statt. Bevor im August die ersten Bagger auffahren könnten, dürfen noch ein letztes Mal Kinder in das Areal, um die Modellstadt ihrer Zukunft zu bauen – ein kostenloses Ferienprogramm. (Laurin Lorenz, 27.6.2019)