Protest gegen die Bundestagsresolution in Ramallah.

Foto: APA/AFP

Der Deutsche Bundestag hat die BDS-Kampagne jüngst als antisemitisch verurteilt. In Israel ist der Kampf gegen BDS Chefsache. Übertriebene Reaktionen, findet Politikwissenschafter John Bunzl im Gastkommentar.

Fast muss man den Eindruck bekommen, dass die BDS-Bewegung (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen) das neue Gespenst ist, das in Europa und der Welt umgeht. Die gegen die israelische Politik gegenüber den Palästinensern gerichtete Politik kann bescheidene Erfolge erzielen, insofern als mehrere öffentliche und private Institutionen erklären, keine Produkte aus den besetzten Gebieten zu kaufen beziehungsweise ihre Herkunft zu kennzeichnen.

Israel wurde dadurch ökonomisch zwar in keiner Weise geschwächt, politisch hat BDS jedoch dazu beigetragen, das Ansehen Israels in der Welt zu untergraben. Deshalb ist der Kampf gegen BDS in Israel zur Chefsache geworden, mit fast ebenso großer Bedeutung wie der Kampf gegen den Iran.

Antisemitismusvorwurf

Es wurde sogar ein eigenes Ministerium bestimmt – unter Gilad Erdan –, das den weltweiten Kampf gegen BDS koordinieren und führen soll. Das wichtigste "Argument" in dieser Kampagne: BDS sei antisemitisch, weil es an den Nazislogan "Kauft nicht bei Juden" erinnere.

Daran ist so gut wie alles falsch. Denn die Nazis wollten damit eine kleine, machtlose Minderheit attackieren und dämonisieren. Die von der palästinensischen Zivilgesellschaft initiierte BDS-Bewegung hingegen richtet sich gegen einen mächtigen Staat, der durch Massenvertreibung entstanden ist und das palästinensische Volk besetzt, enteignet und diskriminiert.

Staatsräson in Europa

Mit dem Antisemitismusvorwurf gelingt es anscheinend, mehrere Regierungen und Parlamente – zuletzt in Deutschland – zu einer Kriminalisierung von BDS zu bewegen. Argumentiert wird auch, dass die Sicherheit Israels zur Staatsräson europäischer Länder gehört. Dem wäre entgegenzusetzen, dass Israel nicht die einzige Folge von Antisemitismus und Holocaust darstellt, sondern auch das tragische Schicksal der Palästinenser eine Spätfolge davon ist – das heißt, der Schutz dieses Volkes sollte ebenfalls "Staatsräson" sein.

Motive der Bewegung

Wahrscheinlich gibt es auch Leute, die aus antisemitischen Motiven BDS unterstützen. Ihnen geht es nicht um das Wohl der Palästinenser, sondern um die Diffamierung der Juden. Sie sind absolut nicht typisch für BDS. Wo sich BDS beziehungsweise einige ihrer Gruppen angreifbar machen, liegt auf einer anderen Ebene: erstens die Unklarheit der Zielvorstellung und des Platzes des israelisch-jüdischen Volkes darin. Und zweitens bringt es die Heterogenität der Gruppen mit sich, dass manchmal auch Israelis boykottiert werden, die den Palästinensern mit Sympathie gegenüberstehen; manchmal mit der grotesken Konsequenz, dass auch Palästinenser aus Israel wegen ihrer Staatsbürgerschaft Objekt von BDS werden.

Insgesamt ist die BDS-Bewegung weniger gefährlich als die hysterische Kampagne, die dagegen geführt wird. (John Bunzl, 27.6.2019)