Thiago Silva ist erleichtert.

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Porto Alegre – Das erste Gespenst ist verscheucht, doch ein böser Geist zieht am Horizont auf: Mit dem 4:3 im Elfmeterschießen gegen Paraguay zum Einzug in die Runde der letzten Vier der Copa America überwanden Brasiliens Fußballer ihren Albtraum vom Strafstoßpunkt gegen die Albirrojas. Nun wollen sie auch dem nächsten Trauma den Schrecken nehmen.

Zum Halbfinale der Südamerika-Meisterschaft geht es am Dienstag ins Mineirao-Stadion von Belo Horizonte. Dort, wo die Selecao vor fünf Jahren bei der WM mit einem 1:7 von Deutschland ebenfalls in der Vorschlussrunde auf immer und ewig gedemütigt worden war. Dieser Makel soll nun gegen den Sieger des Viertelfinales zwischen Argentinien und Venezuela (Freitag, 21 Uhr MESZ) überdeckt werden.

"Ich war zuversichtlich"

Wie die zwei bis Donnerstag nachhängenden Copa-America-Pleiten gegen Paraguay, 2011 und 2015, beide im Viertelfinale, beide nach Elfmeterschießen. Damals war aber aufseiten von Rekordweltmeister Brasilien ein gewisser Gabriel Jesus noch nicht dabei.

"Ich war zuversichtlich, den Ball auf meine Art zu schießen, ruhig, gefühlskalt", sagte der Stürmer von Englands Meister Manchester City nach dem entscheidenden Elfmeter. Nach 90 Minuten hatte es 0:0 gestanden, eine Verlängerung sieht das Copa-Reglement erst ab dem Halbfinale vor.

Im Roulette hatte sich zuvor Torhüter Alisson Becker von Champions-League-Sieger FC Liverpool Paraguays ersten Versuch von Gustavo Gomez geschnappt. Zudem schossen der Ex-Hoffenheimer Roberto Firmino auf brasilianischer Seite und Derlis Gonzalez für die Albirrojas neben das Tor.

Doch Gabriel Jesus musste auch zugeben: "Ich lebe davon, auf dem Platz Tore zu schießen. Deshalb hat die Anspannung schon gestört." Jetzt sind es schon neun Turnierspiele, fünf bei der WM, vier bei der Copa America, mehr als 600 Minuten, in denen der Goalgetter, mit 16 Treffer bester Torschütze in der Ära von Nationaltrainer Tite, nicht getroffen hat. Im letzten Gruppenspiel gegen Peru scheiterte er gar beim Stande von 5:0 mit einem Elfmeter.

Schlechte Rasenqualitäten

Aber nicht nur er, sondern der gesamte Selecao-Sturm versagte zum zweiten Mal im vierten Turnierspiel. Trotz rund 70 Prozent Ballbesitz, trotz 25 Torschüssen, trotz 40 Minuten in Überzahl. Denn Paraguays Innenverteidiger Fabian Balbuena hatte in der 58. Minute für eine Notbremse die Rote Karte gesehen, nachdem der Schiedsrichter zunächst gar auf Elfmeter entschieden hatte, nach Studium des Videobeweises seine Entscheidung aber zurücknahm.

Und so sahen die 48.211 Zuschauern in der nicht ganz ausverkauften Arena Gremio, darunter auch der wegen eines verstauchten Fußgelenks kurz vor dem Turnier aus dem Kader gestrichene Superstar Neymar, eine umkämpfte, aber technisch auf keinem hohen Niveau stehende Partie.

Den Grund lieferte Nationaltrainer Tite anschließend. "Es ist absurd, auf einem Platz mit so vielen Schwierigkeiten Pässe zu spielen", stimmte der 58-Jährige ins Klagelied über schlechte Rasenqualitäten bei der Copa ein, über die sich schon zuvor an gleicher Stelle, aber auch andernorts ein Lionel Messi, ein Luis Suarez lautstark beschwert hatten.

Aber das raubt scheinbar keinem (der Organisatoren) den Schlaf. Das Mineirao am Dienstag aber schon. (sid, 28.6.2019)