Max Verstappen will einfach nur Rennen fahren. Am liebsten mit vielen Überholmanövern oder im Regen, wie beim Grand Prix von Brasilien 2016. Action gefällt ihm, dafür sorgt er gerne selbst. Das brachte dem Niederländer zu Karrierebeginn den Spitznamen "Mad Max" ein. Der gefällt ihm wiederum nicht: "Das bin ich nicht. Ich bin einfach nur Max", sagt der 21-Jährige dem STANDARD vor dem GP von Österreich am Sonntag in Spielberg (15.10, ORF 1). Auf dem Red-Bull-Ring werden auch diesmal wieder tausende Verstappen-Fans die Tribünen in orange Wände verwandeln.

Max Verstappen gewann 2018 den GP von Österreich.
Foto: JOE KLAMAR / AFP

Verstappen weiß dies zu schätzen. Vielleicht auch, weil er polarisiert. Den einen rinnt das Wasser im Mund zusammen, wenn er zum gewagten Überholmanöver ansetzt. Die anderen heben den Zeigefinger und erinnern vor allem an seinen vorjährigen Saisonstart. In Bahrain schoss er beinahe Lewis Hamilton ab, in China dann tatsächlich Sebastian Vettel und in Aserbaidschan sogar den eigenen Teamkollegen Daniel Ricciardo. Dazu reagierte er provokant, weil uneinsichtig: "Ich bleib doch nicht hinter Hamilton." Viel hätte wohl nicht mehr gefehlt und seine Konkurrenten hätten ihn wie Indigene einst Indiana Jones mit Speeren verfolgt. Kritik am eigenen Fahrstil akzeptierte Verstappen nicht. Einem Journalisten drohte er deswegen mit einem Kopfstoß.

Ruhe in Person

In Spielberg ist davon wenig zu sehen. Der Sohn des ehemaligen Formel-1-Piloten Jos Verstappen gibt besonnene, fast einsilbige Antworten – lieber zu wenig als zu viel sagen, Fokus aufs Sportliche. Nach Monaco 2018 legte er eine starke Serie hin, schloss zehn von 15 WM-Läufen auf dem Podest ab, in dieser Saison war er noch nie schlechter als Fünfter. Verstappen – "nein, Max" – spricht nun davon, dass er reifer geworden ist, erwachsener, konstanter. Das komme mit Renn- und Lebenserfahrung. Was er geändert hat? "Wenig". Vielleicht einfach nur den berühmten Schalter im Kopf umgelegt. Immer noch besser als ein Kopfstoß.

Ein Rempler hier, ein Schubser dort.
CrafterHyper

Selbstbewusstsein hat er jedenfalls nicht eingebüßt: "Ohne könnte ich daheimbleiben." Er habe es immer gehabt. Früher vielleicht zu viel. "Er wollte immer aufs Ganze gehen" sagt Red Bulls Teamchef Christian Horner. Aber wie lernt ein Wunderkind Geduld, wenn es regelmäßig gleich mehrere Entwicklungsstufen überspringt? Mit vier Jahren bekam Verstappen sein erstes Go-Kart, mit 16 wird er auf Anhieb Gesamtdritter in der Formel 3 und unterschreibt seinen ersten F1-Vertrag. Im Jahr drauf kürt er sich in der Königsklasse mit 17 Jahren und 163 Tagen zum jüngsten Einsatzpiloten aller Zeiten. "Er war ein sehr erwachsener Mensch in einem sehr jungen Körper", sagt Helmut Marko, der Motorsportchef von Red Bull.

Benzin im Blut

Verstappen ist ein Motorsportgetriebener. Er fährt zwar mit niederländischer Lizenz, ist jedoch im belgischen Hasselt geboren. Seine Mutter Sophie Kumpen und sein Großvater fuhren Go-Kart, sein Onkel Langstreckenrennen. Und Vater Jos absolvierte zwischen 1994 und 2003 106 Formel-1-Rennen, ohne eines zu gewinnen. Der Sohn spürte dennoch den öffentlichen Druck: "Die Resultate werden genauer angesehen", sagt der 21-Jährige. "Wenn alles gut geht, ist es kein Problem. Wenn nicht, wird’s schwierig."

Es hilft, sich aus Schwierigkeiten rauszuhalten. Meistens zumindest. Ende November ging er Esteban Ocon von Force India an, weil dieser ihn, der den Sieg vor Augen hatte, von der Strecke bugsierte. Für die einen ein Zeichen der Leidenschaft in der mittlerweile zu Tode geregelten Formel 1. Für die anderen ein Verfall der Sitten. Der Automobilweltverband Fia schloss sich Letzteren an und schickte Heißsporn Verstappen zur Strafe einen Tag zu den Rennkommissaren der Formel E. Er sollte einen Tag mit jener Berufsgruppe verbringen, der er sonst so viel Arbeit beschert.

Der Showrun auf den Grazer Schlossberg.
Foto: APA/ERWIN SCHERIAU

Trockene Antworten

"Ich glaube, ich mache es momentan ganz gut. Mir egal, was andere über mich denken", sagt Verstappen. Er will eben einfach nur Rennfahren. Bestimmt zu viel Politik die Formel 1? "War immer so." Wird die Budget-Obergrenze mehr Spannung bringen? "Mal sehen." Nur bei möglichen Regeländerungen sprudeln die Antworten aus ihm heraus. In den Reifen stecke noch viel Potenzial. Nicht nur die Flügel sollten Downforce erzeugen, den Anpressdruck, der den Autos in den Kurven höhere Geschwindigkeit erlaubt. Die Motoren müssten ausgeglichener sein. Dass die Klimaschutz-Bewegung Fridays for Future seinen Showrun rauf auf den Grazer Schlossberg kritisierte, kontert Verstappen trocken. Die meisten Autos seien mit fossilen Brennstoffen angetrieben: "Das gehört dazu. Sonst müssten wir wieder auf Pferde setzen."

Genau diese Pferdestärke fehlt seinem aktuellen RB-Flitzer. Verstappen glaubt aber an das Projekt mit Honda, dessen Motoren der österreichisch-englische Rennstall seit dieser Saison bezieht. In Spielberg rechnet er nicht damit, seinen Vorjahres-Coup zu wiederholen: "Vielleicht ist Mercedes am Ende der Saison schlagbar". Verstappen wird mit neu erlernter Geduld warten. (Andreas Gstaltmeyr aus Spielberg, 28.6.2019)