Nicht erreichbar. Leider gerade im Ausland. Kein Interesse. Oder einfach: gar keine Reaktion. DER STANDARD hat versucht, jene Menschen zu erreichen, die 2017 privat für die Volkspartei gespendet haben. 5000 Euro, 10.000 Euro – und deutlich mehr. Schriftliche Anfragen wurden nicht beantwortet. Und wenn das Telefon abgehoben wurde: kein Kommentar. Das sei Privatsache. 43 Personen scheinen auf einer Liste von Spendern auf, die die ÖVP vor einigen Tagen an Journalisten verteilte. Warum spenden sie mehrere tausend Euro für eine Partei? Was erhoffen sie sich davon? Ein gutes Gewissen, weil sie von Kurz' Ideen überzeugt sind? Oder doch politische Veränderungen zu ihren Gunsten?

Ex-Kanzler Sebastian Kurz hat im Wahljahr 2017 fast drei Millionen Euro an Spenden allein für die Bundespartei lukrieren können.
Foto: Christian Fischer

Darüber sprechen wollte nur ein einziger: Werner Gröbl, Immobilienunternehmer aus der Steiermark. Der will aber gar nicht an die ÖVP gespendet haben, "sondern an eine Bewegung". "Ich halte sehr viel von jungen Menschen", sagt Gröbl. Außerdem sei ihm ein "starkes Sozialsystem" wichtig, das habe er in Österreich in Gefahr gesehen – und deswegen Kurz unterstützt. Heute bereue er es, dessen Partei vor zwei Jahren 11.111 Euro überwiesen zu haben.

Ideologen und Pragmatiker

"Es gibt ideologische und pragmatische Spender", sagt Iain McMenamin. Der Ire ist Politologe an der Dublin City University und Autor des Buches "If Money Talks, What Does It Say?". Er setzt sich seit vielen Jahren wissenschaftlich mit der Motivation von politischen Geldgebern auseinander.

Ideologische Spender seien von einer Idee überzeugt und wollten sie unterstützen. Pragmatische erhoffen sich einen persönlichen Vorteil von ihrem Investment: "Wenn eine Spende einen großen Teil des Einkommens der Partei ausmacht, könnte sich diese dem Spender gegenüber verpflichtet fühlen", erklärt McMenamin.

Aber riecht das nicht stark nach Korruption? "Ein Gesetz zu kaufen ist verboten, darin sind sich alle einig", sagt McMenamin. In der Praxis laufe es meist anders ab: Politiker treffen Spender, um ihnen zu danken – und bei dieser Gelegenheit wird über politische Maßnahmen gesprochen: "Sie haben sich Zugang zum Politiker gekauft", sagt der Politologe.

In der Folge werde dann möglicherweise ein Staatsauftrag eher an das Unternehmen vergeben, das gespendet hat – oder jemand aus dem Umfeld eines Spenders bekomme einen gut dotierten Job. Effektiv verbieten könne man so etwas kaum. Jedoch: "Die Bevölkerung sieht das sehr wohl als Korruption", sagt McMenamin.

Die Töchter der Großspender

Im Fall der ÖVP zog die Tochter eines Großspenders im Februar in den Aufsichtsrat der Staatsholding ÖBAG ein. Die Tochter eines anderen Kurz-Unterstützers bekam einen aussichtsreichen Listenplatz und schließlich ein Nationalratsmandat. Eine weitere Spenderin ist nun ÖBB-Aufsichtsrätin – um nur ein paar Beispiele zu nennen. Zusammenhänge mit der Geldspende lassen sich nicht nachweisen. Und die ÖVP argumentiert somit (zu Recht): Alles, was wir machen, ist legal.

Als besonders korruptionsanfällig gilt die Immobilienbranche.
Foto: iStock

Für "besonders korruptionsanfällig" hält McMenamin die Immobilienbranche, deren Vertreter auch auffällig viel Geld an die ÖVP gespendet haben: Es handle sich um den "international am öftesten mit pragmatischen Spenden verknüpften Bereich", weiß der Parteifinanzierungsexperte. Denn Baugenehmigungen werden immer im Einzelfall entschieden, da gehe es für die betroffenen Firmen um viel Geld – und für die Politiker um eine schnelle Entscheidung.

SPÖ und Vorfeldorganisationen

Die Sozialdemokraten sind zwar für Großunternehmer und Millionäre uninteressanter. Dennoch werden auch sie kritisiert, weil Pensionistenverband und rote Gewerkschaftsfraktion offiziell nicht als SPÖ-Vorfeldorganisationen gelten – und die Partei dortige Finanzflüsse somit nicht melden muss.

Bei all der Intransparenz stellt sich die Frage: Sollte Politsponsoring nicht einfach gänzlich verboten werden? Lothar Lockl, der den spendenfinanzierten Wahlkampf des jetzigen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen konzipierte, hält das für den falschen Zugang: "Das Zeitalter der klassischen Kampagnen ist vorbei. Immer mehr Menschen wollen mittun, sich engagieren", sagt der Kommunikationsberater. Für Lockl sind Spenden die einzige Möglichkeit, wie politische Kräfte außerhalb der bestehenden Parteien an Gewicht gewinnen können. Auch die Neos hätten ohne Spenden wohl kaum Fuß fassen können.

Lothar Lockl und Bundespräsident Alexander Van der Bellen beim Länderspiel Österreich gegen Polen im März.
Foto: der Plankenauer

Mit der Kampagne für Van der Bellen habe man "Neuland betreten", sagt Lockl. Spenden für Politiker seien bis dahin relativ unüblich gewesen, nun etablierten sie sich immer mehr. Das müsse weiterhin gewährleistet werden. "Es kann ja nicht sein, dass de facto nur Kandidaten gewinnen können, die Unterstützung von einer großen Partei haben."

Wenn Spenden mehr schaden

Das ließe sich natürlich regeln. Die SPÖ fordert nun etwa eine Spendendeckelung von 200.000 pro Wahlkampf – mit einer Ausnahme für neue Parteien und Präsidentschaftswahlen. Auch alle anderen Parteien haben zahlreiche Vorschläge für die künftige Parteienfinanzierung parat. Dass noch vor der Wahl ein echtes Transparenzpaket beschlossen wird, ist dennoch unwahrscheinlich. Danach erst recht.

Der Politologe McMenamin plädiert für eine Obergrenze für Spenden von Privatpersonen. Und: Spenden von Unternehmen – die ÖVP erhielt so im Wahlkampf 2017 mehr als eine Million Euro – sollten überhaupt verboten werden. "Ich sehe überhaupt keine positive Rolle, die Spenden von Unternehmen spielen können. Sie sind entweder die Ursache für Korruption oder die Ursache für den Anschein von Korruption."

Werner Gröbl, der reuige ÖVP-Spender, will davon nichts wissen: Ihm habe die Spende eher geschadet als genützt, "weil Leute glauben, sie müssen deswegen Bauprojekte behindern". Er hat übrigens auch eine eindeutige Meinung zu Parteispenden an sich: Er halte sie für vollkommen falsch. "Ich stehe dazu, aber ich würde es nicht noch einmal machen." (Sebastian Fellner, Katharina Mittelstaedt, 28.6.2019)