Drückend heiß ist es in der kleinen Holzhütte bereits am frühen Vormittag. Doch Fritz Reisenauer ist gut gerüstet: "Ich hab viel Wasser dabei – und meinen Cowboyhut." Fast die ganze Woche verbringt der Pensionist an der Ortseinfahrt von Hallstatt. Reisenauer hat als Parkplatzeinweiser wohl einen der wichtigsten Jobs überhaupt in dem Weltkulturerbeort.

An starken Tagen drängen bis zu 10.000 Gäste, vorwiegend aus Fernost, in die 750-Seelen-Gemeinde. Im Jahr sind es rund eine Million Menschen. Und zwischen den idyllischen Holzbauten, die sich an den mächtigen Salzberg schmiegen, spürt man Licht und Schatten des begehrten Unesco-Prädikats: Der Tourismus blüht, doch längst sind die Massen auch zur Last geworden.

Schwanentourismus

Reisenauer hat inzwischen einen Kleinwagen mit einem südkoreanischen Ehepaar erfolgreich von dem Versuch abgebracht, trotz Sperrlinie, Stoppschilds und Schranken die einzige Straße durch den Ort zu nehmen. "Kruzifix, die können net amoi Englisch." Doch ein Schluck Wasser genügt, und der Parkplatz-Sheriff kehrt zur Gelassenheit zurück. Ob es denn angesichts der Besuchermassen schwierig sei, in Hallstatt zu leben? "Für mich nicht, ich leb in da Gosaumühl. Da ist es schön ruhig."

Das Bild des idyllischen Ortes mit der jahrtausendelangen Geschichte hat für Asiaten eine enorme Zugkraft.
Foto: Wildbild

Prinzipiell sei die Bevölkerung aber zweigeteilt in Hallstatt. Reisenauer: "Die, die davon gut leben und die, die ihre Ruhe wollen." Aber grundsätzlich würde sich der Ort immer mehr dem Tourismus anpassen. "Man sieht es selbst bei den Schwänen. Wie ich ein Bub war, haben wir uns gefürchtet, weil die so fest gezwickt haben. Heute kommen die aus dem Wasser und zupfen die Touristen nur ganz leicht, weil sie dann Futter bekommen. Herrlich, wenn die Chinesen für ein Foto am See mit den Hintern wackeln, bis der Schwan kommt."

Nicht alle in einem Boot

Die unzähligen Souvenierläden verkaufen, was das Urlauberherz begehrt. Vieles davon made in China.
Foto: Wildbild

Eine schmale Straße führt vorbei an unzähligen Souvenirläden. Schnapsgläser, original "Hallstatt-Breeze" aus der Sprühdose, Salzkristalle, Schürzen, Vasen, Sissi-Schneekugeln. Alles, was das Urlauberherz offenbar so begehrt. Und vieles davon paradoxerweise made in China.

Die Krumböck Nandy sitzt auf einem Campingsessel direkt am Wasser. Den Kaffee in der einen, die Zigarette in der anderen Hand. Noch ist es ruhig auf dem Steg, doch schon bald werden im familieneigenen Bootsverleih die Elektromotoren brummen. "Hallstatt is mein Hoamhaus. Wennst hier geboren bist, dann machen dir die vielen Leute nix. Es ist so ein schöner Ort – und am Abend herrlich ruhig", erzählt die Frau, Jahrgang 1955.

Ein arabisches Ehepaar will derweil über den Preis für eine Seefahrt verhandeln. Doch da tönt es auf dem Steg: "We are not on a bazaar." Das arabische Pärchen entscheidet sich gegen eine Bootsfahrt, das Pärchen aus Seoul greift hingegen zu. Touristisch schöpft man in Hallstatt aus dem Vollen.

Überhaupt seien "die Asiaten sehr höflich". Krumböck: "Von Natur aus sehr laut halt, aber net so frech wie Österreicher und Deutsche." Die Bootsvermieterin lebt mitten im Zentrum: "Aber direkt am See, da krieg ich von dem Wirbel nichts mit." Lustig findet die gebürtige Hallstätterin die oft an sie gestellte Frage "Wohin gehen Sie am Abend?" Krumböck: "Die Asiaten wissen einfach nicht, dass wir hier leben."

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Geht man ein paar Schritte weiter, wird die Lage schon deutlich angespannter. Seit 150 Jahren ist der Bräugasthof im Familienbesitz. Aktuell hat Verena Lobisser in dem altehrwürdigen gotischen Haus das Steuer fest in der Hand. Und die Wirtin ist eine jener Hallstätter Wirtschaftstreibenden, die zwar gut vom Tourismus lebt, aber dennoch eine deutliche Reduktion der Besucherzahlen fordert.

Örtliche Eintrittskarten

"Natürlich ist es ein Jammern auf hohem Niveau. Ich freue mich ja, dass ich ein gutes Geschäft mache. Aber 10.000 Besucher täglich sind einfach zu viel", warnt Lobisser im STANDARD-Gespräch. Hallstatt drohe zu einer "Billigdestination und einer Kulisse zu verkommen". Konkret fordert die Wirtin eine Obergrenze von rund 5000 Tagesgästen: "Ein Hallstatt-Besuch muss ein Produkt werden. Dafür gibt es dann Tickets. Und wenn's voll ist, ist es eben ausverkauft. Das ist im Salzburger Festspielhaus auch nicht anders." Nachsatz: "Wenn wir so weitermachen, wird Hallstatt verheizt und ein Gratisfreizeitpark."

Dass die Unternehmerin mit ihrer Meinung nicht allein ist, zeigt sich übrigens auch im Erfolg der örtlichen Bürgerliste, deren zentrale Forderung ebenso eine Tourismusobergrenze ist. Bei der Gemeinderatswahl 2015 trat die Liste erstmals an – und sicherte sich 27,8 Prozent.

Bräugasthof-Wirtin Verena Lobisser kämpft für einen Qualitätstourismus mit Kultur und Inhalten und will nicht, dass Hallstatt auf eine von Tagesgästen fotografierte Kulisse reduziert wird.
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Lobisser ist nicht Teil der Bürgerliste, aber höchst aktiv. Anfang Juni organisierte sie unter dem Titel "Overtourism" ein Vernetzungstreffen im Bräugasthof. Geladen waren neben dem ORF-Moderator und Buchautor Tarek Leitner auch Christian Hirtzberger vom Arbeitskreis Wachau sowie die Generalsekretärin der österreichischen Unesco-Kommission, Gabriele Eschig. Letztere fand deutliche Worte in Richtung Gemeindeamt: Es fehle ein Plan, welche Werte man wie erhalten könne. Vor allem erscheine ihr auch die Einbeziehung der Bevölkerung mangelhaft, so Eschig: "Bürgermeister können das nicht leisten. Daher braucht man einen unabhängigen Manager, der festlegt, wie man sich entwickeln möchte."

Wem die Luft angesichts der Menschenmassen zu knapp wird, kann an der Dose schnuppern.
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Auch Lobisser kritisiert den Hallstätter Bürgermeister Alexander Scheutz (SP) scharf: "Er spielt ein doppeltes Spiel. Er präsentiert sich offiziell als Retter, kauft aber zu einem überteuerten Preis eine 10.000 Quadratmeter große Fläche, um weitere Parkplätze errichten zu können." Scheutz verdiene eben mit der Masse: "Wenn meine Zimmer und mein Restaurant voll sind, kann ich erst wieder jemanden bedienen, wenn wieder etwas frei ist. Für die gemeindeeigenen WCs oder auch die Parkplätze gibt es keine Obergrenze – je mehr Leute, desto mehr Geschäft."

Alexander Scheutz sitzt in seinem Büro im Gemeindeamt. Der Glaskasten ist voll mit Geschenken asiatischer Touristen. Seit zehn Jahren ist der Axel, wie ihn hier alle nennen, nun schon Gemeindechef. Noch immer "liebe" er sein Amt, aber: "Der Zusammenhalt bröckelt." Heute würden "unterschiedliche Lager" Stimmung im Ort machen.

Scheutz: "Die, die am besten mit den Touristen verdienen, schreien jetzt am lautesten. Die Frau Lobisser hat den Gastgarten ganztägig voll und kauft in Hallstatt eine Immobilie nach der anderen. Aber jammern, dass zu viele Leute kommen. So etwas ärgert mich unglaublich." Es drohe nicht der große Kollaps in Hallstatt. "Wir haben alles im Griff und setzen etwa im Verkehrsbereich konkrete Maßnahmen.

Auf einen Unesco-Manager kann ich daher verzichten." Und die frisch angekauften Parkflächen? "Wir haben die Fläche um 440.000 Euro erworben, und wir werden mittelfristig Parkplätze errichten." Denn eines sei klar: "Die Leute werden weiter zu uns kommen." (Markus Rohrhofer, 29.6.2019)