Die letzten Monate waren für die Android-Welt von Unsicherheit geprägt. Die Trump-Regierung hat Huawei, mittlerweile Nummer 3 am Weltmarkt, auf seine "schwarze Liste" gesetzt. Zahlreiche amerikanische Firmen und Unternehmen, die auf US-Technologie setzen, schränkten daraufhin ihre Zusammenarbeit mit dem chinesischen Elektronikriesen ein.

Mittlerweile hat sich die Lage entspannt. Die US-Regierung erlaubt wieder Lieferungen von US-Technologie an Huawei. Das ist auch gut für alle, die sich das Ende Mai vorgestellte und nun erhältliche Honor 20 kaufen wollen. Das Handy, das mit starker Hardware im mittleren Preissegment lockt, wäre sonst vielleicht Huaweis letztes Android-Telefon gewesen. DER STANDARD hat es getestet.

Foto: DER STANDARD/Pichler
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Design

Wem das Design des Honor 20 bekannt vorkommt, der irrt nicht. Von vorne betrachtet ist es praktisch nicht zu unterscheiden vom Honor View 20, das zu Jahresbeginn erschienen ist. Beide bieten schmale Ränder mit einem minimalen "Kinn", abgerundete Ecken und ein im Eck platziertes Loch im Bildschirm für die Frontkamera. Im direkten Vergleich würde nur auffallen, dass das View 20 marginal größer ist. Das Honor 20 kommt auf Maße von 154,3 x 74 x 7,9 Millimeter bei 174 Gramm Gewicht.

Deutlicher heben sich die (stark spiegelnden) Rückseiten voneinander ab. Beim Honor 20 sind die vier Kameras vertikal zueinander angeordnet und im Gegensatz zum View 20 auch nicht in zwei Aussparungen aufgeteilt. Die Rückseite liefert bei Lichteinstrahlung ein "Streifenmuster". An der Verarbeitung gibt es nichts zu Bemängeln.

Foto: DER STANDARD/Pichler
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Hinsichtlich des Fingerabdruckscanners verzichtet man auf eine In-Display-Lösung, sondern setzt – erstmals in der Honor-Reihe – auf einen Fingerabdruckleser auf der Seite, der gleichzeitig auch als Ein/Aus-Schalter dient. Hält man das Handy in der Hand, ist er gut zu erreichen. Zudem arbeitet er flott und zuverlässig. Liegt das Gerät am Tisch, muss man es aber zwangsläufig aufheben, um es ohne Eingabe des Entsperrcode verwenden zu können.

Ausstattung

Die Ähnlichkeiten zum V20 setzen sich beim Bildschirm selbst wieder fort. Man nutzt ein IPS-LCD-Panel (2.340 x 1.080 Pixel) mit guter Helligkeit und Farbwiedergabe, wenn auch – speziell bei den Kontrasten – das Ergebnis eine Liga unter AMOLED liegt.

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Unter der Haube beweist Huawei einmal mehr, dass man ein Meister darin ist, eigene Hardware wiederzuverwerten. Als Antrieb dient der Kirin 980, der seit dem Mate 20 im vergangenen Winter bereits in allerlei Spitzenhandys von Huawei und Honor zum Einsatz gekommen ist. Dazu gibt es sechs GB RAM sowie 128 GB an nicht erweiterbarem Onboardspeicher.

Die restliche Ausstattung entspricht gewohntem Standard. LTE, ac-WLAN, Bluetooth 5.0 und NFC gibt es mitsamt DualSIM-Unterstützung (microSIM). Eine Infrarot-Schnittstelle erlaubt eine Zweitnutzung als Fernbedienung für verschiedene Geräte. Und zum Laden des Akkus und drahtlose Datenversorgung gibt es natürlichen einen USB-C-Port (USB 2.0). Im Vergleich zum View 20 eingespart wurde die 3,5mm-Kopfhörerklinke.

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Software und Performance

Vorinstalliert ist Android 9 mit "Magic UI", was praktisch eine auf Honor-Geräte zugeschnittene Variante von Huaweis EMUI ist. Tatsächlich sind die Unterschiede zu diesem abseits unterschiedlicher Themes bislang kaum auszumachen.

Bei der Optimierung dürfte allerdings manches noch nicht rund gelaufen sein. Im Allroundbenchmark mit Antutu erreicht das Honor 20 sehr schwankende Ergebnisse zwischen 200.000 und 240.000 Punkten. Damit liegt es deutlich hinter dem View 20 (280.000) und auf oder unter dem Niveau der Vorjahresgeneration. Mit 2.000 bis 3.100 Punkten im 3DMark-Test für Grafikperformance konkurriert es zeitweise mit dem mehr als zwei Jahre alten Google Pixel, denn mit aktuellen Telefonen.

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Ein Grund dafür ist nicht eindeutig zu erkennen. Die Verlaufsdiagramme des 3DMark zeigen keine Temperaturprobleme oder außergewöhnliche CPU-Drosselung, allerdings einen deutlichen Einbruch der Bildwiederholrate zu Beginn jedes Testsegments, der aber nur kurz dauert.

In der Praxis merkt man von dieser Wankelmütigkeit allerdings zum Glück nichts. Weder beim Augmented Reality-Game Harry Potter: Wizards Unite, noch beim grafisch durchaus hochtrabenden Asphalt 9 in den höchsten Einstellungen kommt es zu auffälligen Ladezeiten oder Rucklern, auch wenn das Honor 20 bei letzterem Game merklich warm läuft. Auch die Systemoberfläche selbst leistet sich keine Hänger.

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Kamera

Besonderes Augenmerk hat Honor bei seinem neuen Handy natürlich auf die Kamera gelegt, ist doch die Fototechnik in den vergangenen Jahren zu einem der wichtigsten Kaufargumente aufgerückt. Wie erwähnt nutzt das Honor 20 eine Hauptkamera mit vier Sensoren. Einer liefert 48 Megapixel und Weitwinkelperspektive, ein zweiter kommt auf 24 Megapixel und hat ein Ultraweitwinkelobjektiv. Dazu kommen zwei Chips mit jeweils zwei Megapixel, die für Makroaufnahmen und Tiefenerfassung dienen.

Auf Zoomfaktoren oberhalb der zum Standard gewordenen Zweifachvergrößerung muss man verzichten, es gibt aber allerlei verschiedene Aufnahmemodi – vom Supermakromodus bis zur Nachtaufnahme. Und auf Wunsch lässt sich auch eine KI dazuschalten, die Bilder weiter verbessern soll. In der Praxis sorgt sie vor allem für etwas intensivere Farben und Kontraste. Bei Landschaftsaufnahmen übertreibt sie es gelegentlich. Wo beim normalen Foto die Farben aufgrund des starken Gegenlichts etwas blass wirken, leuchtet das Grün einer Wiese dank KI-Verbesserung dann wiederum zu stark (siehe Fotos am Ende des Tests).

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Die Aufnahmequalität ist im Allgemeinen nicht schlecht, hinkt aber seltsamerweise dem Honor View 20 nach. Vor allem bei der Wiedergabe kleinerer Details schwächelt das Handy etwas. Ansonsten passt die Abbildung von Farben. Huawei-typisch werden Bilder recht stark nachgeschärft.

Die verschiedenen Aufnahmemodi bereiten Freude, funktionieren aber nicht alle gleich gut. Der Porträtmodus arbeitet etwa ordentlich, bei Supermakros erweist es sich als echte Herausforderungen, Motive beim (laut Kamerasoftware) optimalen Aufnahmeabstand von vier Zentimetern ein kleineres Motiv zu fokussieren. Dass der Makrosensor nur mit geringer Auflösung operiert, merkt man zudem entweder an Bildrauschen oder den Spuren der recht aggressiven Entfernung von selbigem.

Der Nachtmodus entspricht dem View 20. Er arbeitet damit deutlich langsamer, als etwa jener des Huawei P30 Pro, liefert aber dennoch in ein paar Sekunden Aufnahmen. Qualitativ scheinen die Ergebnisse zwar "okay", dem View 20 aber ebenfalls unterlegen zu sein, speziell bei Gegenlicht und bei der Schärfe entfernterer Motive fällt das auf. All das ist einigermaßen erstaunlich, hat das Honor 20 doch zumindest am Papier eine besser ausgerüstete Hauptkamera. Immerhin, die Frontkamera (32 MP) leistet gute Arbeit.

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Akustik und Akku

Soundtechnisch bietet das Handy Durchschnittskost. Musik trällert leider nur "mono" aus einem einzelnen Lautsprecher. Die Lautstärke könnte höher sein, qualitativ ist die Darbietung aber passabel – gemessen an den Möglichkeiten eines Handys.

Weder besonders herausragend, noch besonders schlecht ist auch der Ton beim Telefonieren. Man wird gut verstanden, die eigene Stimme ist aber unterlegt mit leichtem Rauschen und eine Spur verzerrt. Auch der Gesprächspartner laut wahrnehmbar, aber erscheint im Klang auch etwas "verrauscht".

Der Akku ist respektabel dimensioniert und liefert 4.000 mAh. Das reicht selbst bei intensiver Verwendung gut über zwei Arbeitstage. Selbst Games, die notorische Akkufresser sind – etwa das schon erwähnte Wizards United – lassen den Batteriestand erstaunlich langsam schmelzen. Und nähert er sich doch einmal bedenklichen Werte, kann er dank Quickcharge-Support (bis zu 22,5 Watt) relativ flott wieder aufgeladen werden. Wireless Charging gibt es allerdings nicht.

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Fazit

Mit dem Honor 20 liefert die Huawei-Tochter ein Handy, das zum empfohlenen Verkaufspreis von 500 Euro womöglich einen schweren Stand hat. Das Honor View 20 wird mittlerweile um 100 Euro weniger verkauft und die Unterschiede halten sich abseits der Kamera in engen Grenzen. Dass die Quadcam des Honor 20 aktuell dem Triple-Modul des View 20 sogar unterlegen ist, verbessert den Eindruck nicht unbedingt. Für 50 Euro mehr bietet sich zudem das OnePlus 7 an, das den schnelleren Snapdragon 855-Chip nutzt und eine sauberere Android-Version bietet.

Ebenfalls in diesen Preisgewässern finden sich das Xiaomi Mi 9 und 9T. Will man mit dem Honor 20 hier herausstechen, wird vor allem die Kamera das eine oder andere Softwareupdate benötigen. Genug Baustellen also, trotz Ende des US-Embargos.

In Österreich ist das Honor 20 noch nicht gestartet, verschiedene Händler verkaufen es aber bereits. Laut dem Unternehmen ist aber auch eine offizielle Markteinführung geplant, für die man aber noch keinen Termin angekündigt hat. (Georg Pichler, 4.8.2019)

Testfotos

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Nachtmodus
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Nachtmodus
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