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Carola Rackete befürchtete, die geretteten Menschen auf ihrem Schiff könnten ins Meer springen.

Foto: REUTERS/Guglielmo Mangiapane

Frage: Wie ist grundsätzlich mit auf Hoher See Geretteten zu verfahren?

Antwort: Laut internationalem Seerecht gibt es die Verpflichtung für jeden Schiffsführer und jede Schiffsführerin, in Seenot geratenen Menschen im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu helfen – und zwar unverzüglich, sobald er oder sie über eine Notsituation informiert wird. Die geretteten Personen müssen danach an einen sicheren Ort gebracht werden. Dieser "Place of Safety" ist laut dem österreichischen Völkerrechtsexperten Gerhard Hafner nicht genau definiert. In einem Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags vom 31. Juli 2017 heißt es, ein "sicherer Ort" muss nicht zwangsläufig ein sicherer Hafen sein, es kann auch ein größeres Schiff sein. Auf alle Fälle darf das Leben der Geretteten nicht mehr in Gefahr sein.

Frage: Bei den meisten Seenotrettungen von Flüchtlingen liegt Libyen näher als Italien. Wieso bringt man die Geretteten nicht dahin?

Antwort: Sea-Watch wie auch andere Hilfsorganisationen argumentieren damit, dass das Leben der Geretteten in Libyen in Gefahr sei. Man verweist auf zahlreiche Berichte, auch von der Uno, in denen unter anderem Folter, Mord, Gruppenvergewaltigungen und Versklavung in den libyschen Flüchtlingslagern festgehalten werden. Deshalb peilen die NGOs Italien als sicheren Hafen an.

Frage: Und Italien kann einfach so die Häfen für Rettungsschiffe schließen?

Antwort: Eine Hafensperre Italiens für Rettungsschiffe ist nicht explizit verboten. "Es gibt keinen allgemeinen Anspruch auf Zugang zu jeglichen Seehäfen", so Völkerrechtler Hafner. Eine Rolle spielt dabei aber auch das Nothafenrecht. Das besagt, dass Schiffe in Notlagen Häfen auch ohne Erlaubnis anlaufen dürfen, wenn etwa Menschenleben in Gefahr sind. Im aktuellen Fall der Sea-Watch 3 begründet Kapitänin Carola Rackete ihre unerlaubte Hafeneinfahrt auch damit. Sie befürchtete, die Geretteten könnten ins Meer springen: "Da die Migranten nicht schwimmen können, wäre dies ein Selbstmord gewesen. An Bord war es bereits zu Selbstverletzungen gekommen." Seit Beginn der Flüchtlingskrise in Europa 2015 gibt es immer wieder Diskussionen darüber, ob das Nothafenrecht bei Flüchtlingsschiffen gelten soll, die sich mit Absicht in eine Notlage gebracht haben.

Frage: Was bedeutet das neue Sicherheitsdekret der italienischen Regierung für private Rettungsschiffe?

Antwort: Laut dem vor zwei Wochen beschlossenen Erlass kann "die Durchfahrt oder der Aufenthalt" von privaten Schiffen in italienischen Gewässern "aus Gründen der nationalen Sicherheit" verboten werden. Bei Zuwiderhandeln drohen 10.000 bis 50.000 Euro Strafe sowie die Konfiszierung des Schiffes. Das von Lega-Chef und Innenminister Matteo Salvini initiierte Gesetz zielt auf NGO-Schiffe ab. Der Koalitionspartner der Lega, die Fünf-Sterne-Bewegung, wehrte sich lange gegen das Dekret, stimmte letztendlich aber zu. Obwohl Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella die Regierung informell wissen ließ, dass das Dekret seiner Meinung nach in mehreren Punkten gegen die Verfassung verstoße. (FRAGE & ANTWORT: Kim Son Hoang, 30.6.2019)